La Canaille

Die Pariser Kommune jährt sich dieses Jahr zum 150. Mal. Als sich im Frühjahr 1871 die Pariser*innen ohne „Umwege“ gegen die Herrschaft auflehnten und für eine andere Welt kämpften und mit Selbstorganisierung im großen Rahmen experimentierten.

Der 18. März ist international bekannt als der „Tag der politischen Gefangenen“. An diesem Tag soll an den Aufstand der Pariser Kommune im Jahr 1871 erinnert werden, aber auch an ihre Zerschlagung und die folgende Repression. Die Pariser Kommune war und ist trotz ihrer blutigen Unterdrückung bis heute Ausgangspunkt und Inspiration vieler Kämpfe, Revolutionen und Rebellionen. Im Zuge des deutsch- französischen Krieges bewaffneten sich die Pariser*innen. Zum ersten Mal wurden auch Menschen aus ärmeren Bevölkerungsschichten in der Nationalgarde zur Verteidigung gegen die Preußen, die Paris belagerten, bewaffnet. Im Zuge der Niederlage gegen die Preußen wurde Napoleon abgesetzt und die 3. Republik ausgerufen. Die neue betrügerische politische Elite verriet jedoch die für Frankreich Kämpfenden im Handschlag mit Preußen, welcher hohe Reparationszahlungen und das Abtreten von Elsass Lothringen beinhaltete.

Nicht aber die deutschen Eindringlinge, sondern eine andere Bedrohung machte den Generälen am meisten Angst, nämlich die Bevölkerung der groß werdenden Industriestädte und besonders die von Paris. Eine Stadtbevölkerung, verraten aber bewaffnet und mehr oder minder für den Krieg organisiert. So war es ein Leichtes für die Pariser*innen, als die Versailler Regierung die 200 bis 300 Kanonen in Paris abtransportieren wollten, sich ihnen ohne formellen Beschluss entgegenzustellen. Mit der Nationalgarde wurde Paris am 18. März befreit. Die Bourgeoise und der Adel flüchteten nach Versailles. Der Rat der Kommune setzte sich zum ersten Mal auch aus einfachen Arbeiter*innen und Handwerker*innen zusammen. Der Aufstand, der die Machtverhältnisse komplett umstrukturierte, breitete sich aus. Bereits ab 1868 wurden öffentliche Versammlungen unter Napoleon dem III. erlaubt. Hier durften zwar keine politische Debatten und auch keine Kaiserbeleidigung stattfinden, so fanden diese eben zu Arbeitslosigkeit und die Abschaffung des Privateigentums statt. Um den staatlichen Spitzeln zu entkommen wurden die Diskussionen in kleinen Gruppen und Treffen in Bars oder klandestin in Wohnungen weitergeführt. Diese Klubs wuchsen in den Tagen der Kommune schnell zu selbstorganisierten und autonom agierenden Stadtviertelversammlungen an. Zum größten Teil auch von Frauen besucht, wurden hier alltägliche und revolutionäre Belange besprochen und teilweise auch durch die sogenannten Wachsamkeitskomitees umgesetzt. Diskussionen und Vorschläge wurden als Zeitschriftenbeiträge oder Anschläge in den Vierteln verbreitet und zum Rat der Kommune getragen. Doch ab dem 22. Mai stürmten die Versailler Truppen, im Pakt mit Preußen, die Barrikaden von Paris und drangen so gewalttätig, voller Haß erfüllt, in die Stadt ein und metzelten eine Woche lang alles nieder was sich ihnen in den Weg stellte. Die Straßen waren von dem Blut zehntausender Kommunard*innen, die für die Freiheit kämpften, getränkt. Viele wurden eingesperrt, zum Tode verurteilt oder in die Straflager der Kolonien verschleppt.

In den 72 Tagen, in denen die Pariser Kommune experimentieren konnte, wurde die herrschende Ordnung grundlegend auf den Kopf gestellt. Es wurden: erste Werkstätten und Fabriken enteignet; die Mietschulden eingestellt oder auch Mieten ausgesetzt; die Pfandleihhäuser geschlossen; Kultur und Kunst für alle angeboten; Gehälter für alle angeglichen, auch zwischen Frauen und Männern; Kinderarbeit abgeschafft; Kindergärten und Schule für alle, insbesondere auch Schulen für Mädchen aufgebaut, die komplett entkoppelt von der Kirche waren; die Macht der Kirche abgesetzt; Frauen nahmen sich ihre individuelle Entscheidung auf den Barrikaden zu kämpfen auch mit Waffen; uneheliche Kinder sollten anerkannt werden etc..

Schon in der Zeit vor der Pariser Kommune in den 1860er Jahren wurden – nach einer längeren Ruhepause nach der niedergeschlagenen Revolution 1848 – in Frankreich soziale Spannungen in unterschiedlichen Unruhen, Streiks und sozialen Aufständen deutlich, dies spiegelte sich auch in Gedichten und Liedern wieder. 1865 erschien mitten in einer aufkommenden revolutionären Stimmung von Unten, das Lied la canaille, geschrieben von Alexis Bouvier. Das Lied handelt von der Misere, aber auch vom revolutionären Geist der Verelendeten im Zuge der Industrialisierung. Alex, selbst aus einer Arbeiterfamilie kommend, prägte mit seinem Chanson den Begriff der Kanaille, welcher später auch gegenüber den Revolutionär*innen und Kommunard*innen in Paris im abwertigen Sinne (Hundepack, Gesindel) verwendet wurde. Im folgenden wollen wir eine freie Übersetzung des Liedes veröffentlichen, welches u.a. den Namen unserer Zeitung trägt, auch wenn im Zuge der zeitlichen Einordnung und der Übersetzung so manches verloren geht.

In der alten französischen Stadt

gibt es ein Menschengeschlecht aus Eisen;

Wie ein Schmelzofen, sind dessen Seelen

vom Feuer gebräunt, das Menschenfleisch.

Alle seine Söhne sind auf Stroh geboren,

als Palast haben sie nur eine Hütte…

Es sind die Kanaillen!

Na gut! Ich gehör‘ dazu!

Es ist nicht der Träger des Kerkers;

Es ist der ehrliche Mensch, dessen Hand

verdient mit Feder oder Hammer

mit Schweiß sein Stück Brot gewinnt.

Schlussendlich ist es der Vater, der arbeitet

Tag‘ und manchmal Nächte,

Es sind die Kanaillen!

Na gut! Ich gehör‘ dazu!

Es ist der Künstler, es ist die Boheme

welche ohne Abendbrot, Träume reimen.

Ein Sonett für die, die er liebt

der Magen betrogen vom Herzen.

Auf Kredit schlemmt er,

wohnt und kleidet er sich ein.

Es sind die Kanaillen!

Na gut! Ich gehör‘ dazu!

Es ist der Mensch mit dem erdigen Gesicht,

mit schlankem Körper, mit Eulenaugen

Von eisernen Armen bis Hände aus Nerven.

Die kommen, wer weiß woher.

Mit Esprit spottet ihr immer

lachend über ihre Verächtlichkeit…

Es sind die Kanaillen!

Na gut! Ich gehör‘ dazu!

Es ist das Kind, welches das Schicksal

zwingt seine Lumpen abzuwerfen

wenn sein zwanzigstes Jahr anbricht,

um in unserem Bataillon zu kämpfen.

Kanonenfutter der Schlacht

Immer erliegt es ohne Aufschrei…

Es sind die Kanaillen!

Na gut! Ich gehör‘ dazu!

Sie haben die Marseillaise gesummt,

unsere Väter, die alten Vagabunden

angegriffen dreiundneunzig

Die Bastillen, deren Kanonen

die alten Mauern verteidigten…

Was Summer seither sagten:

Es sind die Kanaillen!

Na gut! Ich gehör‘ dazu!

Die Einen arbeiten mit der Feder,

die Stirn entblößt vom Haar.

Die Anderen hämmern auf den Amboss

und betrinken sich, um glücklich zu sein.

Da die Misere sie peinigt

lasst ihre abmagernden Seiten bluten

Es sind die Kanaillen!

Na gut! Ich gehör‘ dazu!

Schlussendlich ist es eine riesige Armee

in Lumpen, in Holzschuh‘ gekleidet.

Aber das heutige alte Frankreich,

die Aufrufe verdeckt von seinen Fahnen.

Man wird sie mit Mitrailletten sehen

sie werden die Feinde dazu bringen, zu sagen:

Es sind die Kanaillen!

Na gut! Ich gehör‘ dazu!