Manipulation der Sinne – Sucht und Technologie

Teil 3: Einige Gedanken für den digitalen Detox

Dieser Text wurde ca. vor anderthalb Jahren geschrieben und in mehrere Teile geteilt. Dieser dritte Teil ist durch den Corona- Digitalisierungshype erschreckende Alltagswirklichkeit geworden.

Aktuell wird ein Mensch an die Maschine angepasst und unterwirft sich selbst, indem seine soziale Interaktion auf SMS-Länge zurechtgestutzt wird, Probleme an Wikis angepasst und Lösungen gedownloaded werden. Was nicht passt, fällt hinten runter. Intensive Gespräche, physische Treffen, Planungen und Verbindlichkeiten werden seltener. Kreatives schaffen, diskutieren, streiten, reflektieren wird in Bits und Bytes zerlegt. Der Mensch soll der Maschine angepasst oder durch sie ersetzt werden.

Wenn wir gesellschaftliche Dystopien betrachten, könnten wir einige Formen der bekannten Soma-Droge in Aldous Huxleys Brave New World entdecken. Dieses Buch malte schon 1932 eine Dystopie, die heute Wirklichkeit geworden ist. Soma ist hier die Droge, die für alles da ist, sie macht dich glücklich aber nicht zu sehr, sie macht dich passiv und gehorsam, alle Emotionen werden abgeflacht, es gibt keine Überschwänglichkeit, keine Ausbrüche, alle sind monoton gleich und spielen die ihnen genetisch aufgetragene Rolle. Auch bei uns sind heute alle direkten sozialen Beziehungen und Kommunikationen oft nur noch sekundär. Ein Konzert wird durchs Smartphones begleitet, ohne körperlich oder sinnlich, sich hinein versetzend, tanzend und in Erinnerungen schwelgend, den Moment genießend. Es werden Fotos und Videos gemacht, um sich im Web zu zeigen, wie man sich amüsiert. Gespräche oder sogar Sex wird von dem piepen des Smartphones unterbrochen, ohne schlechtes Gewissen. Das neue Zoom Zeitalter durch Covid-19 macht ein Schritt zurück ins Analoge kaum vorstellbar.

Es ist nicht leicht zu bestimmen, wo ein gewisser Konsum von Produkten der Aufmerksamkeitsindustrie, Drogen u.a. aufhört und wo eine aktive Beteiligung der Zerstörung unseres Lebens oder Entfremdung anfängt. Bei den Eltern, die ein Smartphone-Kind züchten, bei den Schulen, die den digital konsumierenden Homo Digitales erschaffen wollen, bei der freiwilligen DNA-Abgabe um die perfekten Gene vorherzubestimmen, bei Tourist*innen, die ständig mit Kamera in der Hand herumlaufen und unsere Identität ungefragt ins Netz einspeisen, bei den kameratragenden Spieldrohnen oder bei Google-Glas-Träger*innen. Oder bei Wissenschaftler*innen, die tagein tagaus daran forschen, wie wir abhängiger ins smarte System eingespeist werden können, indem wir geistesabwesend unsere Daten eingeben.

Die Alltagswelt mit der wir gerade zu tun haben ist eine technische, digitale Welt, in der es auch Menschen gibt und nicht eine Menschenwelt in der es auch Technik und Digitalität gibt.

Aus der Perspektive von Institutionen, der Wirtschaft, der Vergnügungsindustrie, der Politik und der Kriegsführung, sollen wir uns als Arbeitsgeräte oder Konsument*innen einsetzen lassen. Die Ersetzbarkeit ist für uns vorgesehen und wird von Wissenschaft, Schulen, Pädagog*innen, Psycholog*innen etc. unterstützt, indem sie Unauffälligkeit und Angepasstheit idealisieren und Selbstbestimmung oder differenzierte Persönlichkeiten krank heißen. Angepasstheit wird als Selbstverwirklichung erlebt, das Kleben an der Tastatur und am Bildschirm als neue Freiheit. Die Abflachung des Gehirns auf vorbestimmte Schemen von angeblich intelligenten Maschinen, die Homogenisierung der Kulturen auf die neuen Sprachen der digitalen Kommunikation und Produktion sind Ziel des neuen digitalen Kapitalismus.

Hier zeigt sich die Notwendigkeit einer Analyse der Wechselwirkung von Technologie und Gesellschaft und der gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnisse, die sich in allen neuen Technologien fortschreiben. Technik und Technologien in einer auf Hierarchie und Unterdrückung aufgebauten Gesellschaft sind immer in falschen Händen und werden es immer sein. Das bedeutet aber auch, wir werden nicht von Technologie beherrscht, sondern indem wir sie nutzen, verändern sich unsere Beziehungen im Sinne von Herrschaft. Denn die Technologisierung unseres alltäglichen Lebens erweitert nicht nur die Absatzmärkte, sondern verflacht und verkümmert unser Leben als Ganzes. Die neue Währung der digitalen Tech-Eliten und Unternehmen sind nicht Dollars, sondern Aufmerksamkeit und Daten. Wenn die menschliche Interaktion mit Technologie so intensiv wird, dass sich der Alltag auflöst und ein sinnvolles Leben nicht mehr denkbar ist, dann handelt es sich um einen Alptraum, gegen den jetzt was unternommen werden kann. Die Maschinen, die Technologien und ihre Bosse, mit denen wir tagein tagaus Zeit verbringen, deren tägliche Sklaven wir sind, gilt es zu zerstören. Technologische Macht und Vernetzung kann mit Verweigerung begegnet werden, nur das verhindert dass alle menschlichen Fähigkeiten und Tätigkeiten dem kapitalen Profit untergeordnet werden. Jede Alternative zu den traditionellen Hierarchien wird ihre Zeit ablaufen sehen, wenn wir nicht immer zuerst analoge und direkte Kommunikationen und Kooperation als unsere eigenste Fähigkeit, freie Vereinbarungen gegen Herrschaft in Gesellschaft zu denken. So wie sich die neuen Technologien in unseren Verstand und in soziale Interaktion einfressen, sollten wir unser kritisches Bewusstsein nähren mit Informationen über die technischen und industriellen Grundlagen des technologischen Angriffs auf unser Leben.Die Unterdrückung von freiheitlichen Leben, die Ausbeutung des Planeten sowie die enormen kapitalistischen Elektrizitätsströme und Wellen gilt es zu zerstören. Dafür brauchen wir Zeit um (nach) zu denken, zu experimentieren und um zu irren. Um den Dingen eine Bedeutung zu geben ohne Profit oder Quantität, in freien Zusammenhängen diskutieren und leben, um darin Überlegungen, Erfahrungen, Autonomie, Wünsche und Ideen Einzelner zu Wort kommen zu lassen.

ASAP: As Slow As Possible!

 

Schon die Fabrikarbeit hat uns entfremdet und somit Abläufe und einzelnen Schritte von Produktherstellungen in den Hintergrund gerückt. Sie hat damit erreicht, dass wir uns nicht mehr verantwortlich für die Endprodukte fühlen, wie z.b. für Atom-, Kriegs- und Waffenprodukte. Der Fernseher war ein weiterer Versuch, nicht nur unsere Arbeitskraft auszubeuten, sondern auch unsere Freizeit zu okkupieren, um Gedanken und widerständiges Handeln, die kapitalistischen Abläufe stören könnten, wie Traumfänger einzufangen. Passive Konsument*innen, die vorm Fernseher oder dem Spielautomaten leicht vom Nachdenken über komplexe Welt- oder Gesellschaftszusammenhänge abgelenkt werden. Heute verlagern sich, neben offensichtlichen Großprojekten, die Fließbänder in den globalen Süden. Für die Metropole wurden flexiblere Produktionsformen entwickelt, hier werden nicht mehr in erster Linie die Maschinen ausgelastet sondern die Menschen. Es wird nicht mehr mit körperlicher Kraft, sondern mehr und mehr mit Kooperations- und Innovationstätigkeit agiert. Das führt zu anderen Motivationen, denn es darf jetzt selbstbestimmter und in Teams gearbeitet werden, doch mit der Prämisse „Macht was ihr wollt aber seid profitabel“. Und jede Sekunde unserer Freizeit sollen wir nun okkupieren mit digitalen, smarten Spielzeugen und den kleinen Freuden des Tages, nämlich den Dopaminausschüssen nachdatteln.

Kapitalismus wird durch Patriarchat, Kolonialismus, Ausbeutung, unbezahlter Arbeit und Krieg möglich und die neuen Technologie Großkonzerne wie Amazon, Google und Co erweitern ihr Repertoire um Sucht.

Coming soon: Spinn off „Manipulation der Sinne“…und dann kam Covid-19