oder wie der Kapitalismus einen grünen Anstrich kriegt
Alle reden vom Klima. Das haben die Kids von Fridays For Future mit ihrem Schulstreik ohne Zweifel erreicht. Die Spießer*innen toben angesichts der Frechheit dieser Kinder, für Demos der Schule fernzubleiben. Man ist sich nicht so sicher, was für sie nun schlimmer ist – das Schule schwänzen an sich, oder dass es dabei ums Klima geht. Da ist es für die liberalen Öko-Eltern schon einfacher, Position zu beziehen, schließlich leistet man sich seit Jahren Bioprodukte und fährt die kleinen Bengel mit dem Lastenrad durch die Gegend. Also freut man sich selbstverständlich über den kritischen Geist, den der Nachwuchs auch außerhalb des Unterrichts entwickelt. Die Politik reagiert, und bis auf wenige Ausnahmen will auch niemand so richtig diesen Heranwachsenden in den Rücken fallen. Es handelt sich dabei ja schließlich um zukünftige Wähler*innen, die man nicht jetzt schon vergraulen will.
Einig sind sich aber alle darüber, dass man die Kinder und Jugendlichen darauf hinweisen müsse, in welchen Widersprüchen sie sich bewegen. Es wird ihnen vorgeworfen in den Urlaub zu fahren, ein Smartphone zu besitzen oder neue Klamotten zu tragen. Als wäre der individuelle Verzicht die Lösung aller Probleme, und nur wer dem nachkommt, legitimiert dazu, sich zu beschweren. Im Wissen darüber, dass es kein richtiges Leben im Falschen geben kann, will man ihnen so beibringen, dass es eigentlich nicht viel anders geht als bisher. Und genau das ist die Krux der Geschichte. Denn so wird der berechtigte Aufschrei von Fridays For Future in das demokratische Korsett gezwängt, wo Handlungsoptionen gegen die Zerstörung des Planeten nur noch innerhalb des kapitalistischen Herrschaftsverhältnisses gedacht werden können. Wer es sich leisten kann, konsumiert politisch korrekt und die Anderen sind dann eben Schuld an der Misere. Gerade sogenannte „Öko-Parteien“ wie die Grünen beherrschen dieses Spiel besonders gut. Das ist kein Wunder, denn diese Partei und ihre Wähler*innenschaft besteht in großen Teilen aus privilegierten Menschen, die vom Fortbestehen des Kapitalismus profitieren. Ihnen dürfte bewusst sein, dass ein konsequenter Klimaschutz unausweichlich dieses Wirtschaftssystem in Frage stellen würde. Diejenigen, die das trotzdem tun, werden als naiv oder noch nicht erwachsen genug dargestellt, während sie gleichzeitig als Verstärker der eigenen Argumente in der Realpolitik benutzt werden. Die Heuchelei einer selbstgerechten Öko-Elite, die uns die selbe Scheiße in grün verkaufen will. Sicherlich, in großen Teilen werden die aktuell Klima-Bewegten wahrscheinlich auch keine Revolutionär*innen sein, die morgen die alte Welt in Schutt und Asche sehen wollen. Zumindest von den Jüngeren unter ihnen kann man das wohl auch kaum erwarten, fangen sie doch gerade erst an Dinge in Frage zu stellen. Umso erschreckender ist es aber, zu beobachten, wie schnell sich alle in Stellung bringen, um eben diesen die immer selbe Leier von demokratischer Teilnahme und friedlichem Protest vor zu setzen. Bisschen laut sein gerne, aber ja nicht ernsthaft was verändern wollen.
So überrascht es wenig, dass sich dann auch welche finden, die sich auf das Feld der Politik begeben, im Namen der Bewegung und legitimiert durch die Wissenschaft Forderungen an die Herrschenden formulieren. Auch wenn sie bemüht sind, immer wieder zu betonen, dass sie keiner Partei zugehörig sind, machen sie sich damit zum Spielball der Politik und entwaffnen sich selbst. Appelle an diejenigen zu richten, die das Ganze zu verantworten haben, ist wenig hilfreich und verfestigt im Umkehrschluss die Annahme, dass der Kapitalismus alternativlos wäre. Dem ist aber nicht so. Vielmehr ist es doch offenkundig, dass ein System, das auf permanentem Wachstum beruht im großen Widerspruch steht zu einem Planeten, der nur begrenzt Ressourcen zu bieten hat. An diesem Punkt, wo wir heute stehen, wirkt es lächerlich über Dieselfahrverbote oder die Höhe einer CO²-Steuer zu debattieren. Vielmehr müsste unser Lebensstil und die industrielle Produktionsweise ganz grundsätzlich in Frage gestellt werden. Vor allem hier im globalen Norden, von wo aus die Kolonialisierung der Erde und die Ausbeutung von Mensch und Natur maßgeblich ausgeht. Dies kann aber nicht innerhalb der herrschenden Spielregeln passieren, welche dazu da sind, das Bestehende aufrecht zu halten. Es bedarf Mittel, die uns befähigen, selbstbestimmt den Gang der Dinge zu unterbrechen. Sabotage und direkte Aktionen könnten neben den Demonstrationen Möglichkeiten sein, um ganz konkret die zerstörerischen Projekte der Herrschaft anzugreifen, ohne auf die Einsicht derjenigen zu hoffen, die das Elend verwalten.
Auf der anderen Seite trägt die Hinwendung an die Politik aber noch ein weiteres Problem in sich. Denn ihre Antwort auf Missstände bedeutet am Ende immer auch Gesetze, welche diese beheben sollen. Im Falle des Klimaschutzes, Gesetze, die vor allem diejenigen treffen, die sowieso schon am stärksten in einem Abhängigkeitsverhältnis von Lohnarbeit, Mobilität und Konsum gefangen sind. Wenn nicht die soziale Frage mit gedacht wird, läuft die aktuelle Klima-Bewegung hierzulande Gefahr, dass sie die selben Fehler wie die Politik begeht und die Trennlinie zu Pro und Kontra Klimaschutz bald zwischen Arm und Reich verlaufen könnte. Weil die meisten Menschen eben wirtschaftlichen Zwängen ausgesetzt sind und nicht die Wahl haben. Es kann nicht sein, dass wir, nachdem uns über Jahrzehnte Schrott verkauft wurde, nun gezwungen werden, diesen durch neuen Schrott, der etwas weniger klimaschädlich ist, zu ersetzen. Wie es am Beispiel von Dieselfahrzeugen zu sehen ist. Damit haben wir überhaupt nichts gewonnen, die Industrie aber kann sich auf gute Zeiten freuen. Die Verarschung geht fröhlich weiter. Und so wird die Wut vieler junger Menschen, wenn auch nicht gewollt, zum Treibstoff, um den grünen Kapitalismus zu organisieren und ein ökologisch nachhaltiges Leben bleibt weiterhin eine Frage von Privilegien und des Geldes.