Sharing heisst eben nicht immer Caring

Von Leihfahrrädern und Digitaler Kontrolle

Es gibt kaum noch eine Ecke innerhalb des S-Bahn Rings, wo sie nicht rumstehen. E-Roller, E-Scooter, E-Bikes und allerlei Leihfahrräder. Ein Haufen Elektromüll, den uns die Sharing-Ökonomie vor die Nase setzt. Die Plätze und Gehwege sind zugestellt damit und prägen so das Stadtbild. Doch es soll an dieser Stelle nicht darum gehen, den Schrei nach Recht und Ordnung, der in etlichen Kolumnen der lokalen Boulevardblätter zu finden war, zu wiederholen. Viel problematischer an diesen Geräten ist das Geschäftsmodell, das sich dahinter verbirgt und nicht auf den ersten Blick zu erkennen ist.

Wie so viele junge Start-Up Firmen verkauft sich die Branche rund um die Sharing- Mobilität gerne als ökologisch und klimafreundlich und will eine Alternative zum herkömmlichen Individualverkehr sein. So folgt das Marketing dieser Anbieter einem Trend, der in diesen Zeiten weite Verbreitung findet. Schaut man etwas genauer hin, stellt man schnell fest, dass der Gedanke des Teilens gar nicht so sehr im Zentrum dieses Geschäftsmodells steht. Vielmehr interessieren sich die Unternehmen für die Daten, welche durch das auf einer App basierenden Leihsystem generiert werden. Da es keine fixen Abstellplätze gibt, wird der Standort des Gerätes per GPS mitgeteilt. So entstehen äußerst genaue Bewegungsprofile der Nutzer*innen, welche mit Informationen, die man sonst noch so hergibt wie Name, Telefonnummer, E-Mailadresse etc. verknüpft sind. Mit einer Vielzahl solcher Datensätze können die Anbieter ort- und zeitgenau Mobilitätsströme einer Stadt ablesen. Die Wege, die wir gehen, werden berechenbar. Werbung lässt sich auf den Einzelnen zugeschnitten schalten und Bedürfnisse und Konsumverhalten können so manipuliert werden. Sie wissen, wo ihre Kund*innen sind und können ihr Angebot dort hinbringen, wo Bedarf besteht. Aber auch Dritte haben ein Interesse an diesen Daten und so gehört es zum Deal, den man eingeht, dass diese auch weiterverkauft werden. Die eh schon teuren Nutzungskosten werden also gleich doppelt gezahlt.

Neben dem Geschäft mit den Daten fällt aber auch die Ökobilanz der E- Roller und Fahrräder äußerst negativ aus. Alleine der Herstellungsprozess der Akkus frisst eine Menge Ressourcen. Das dafür notwendige Lithium führt in den Abbaugebieten in Südamerika zu sozialen und ökologischen Katastrophen. Die Lebensdauer von E-Rollern werden auf weniger als ein Jahr geschätzt. In den USA waren es laut einer Studie, aufgrund von Vandalismus und Unfällen, durchschnittlich sogar nur zwei Monate. Aber auch viele der Leihfahrräder sind qualitativ so schlecht, dass sie nach wenigen Wochen schon wieder auf dem Schrottplatz landen. Bilder aus China, wo Müllhalden voller Sharing- Bikes in den Himmel wachsen, veranschaulichen die Absurdität dieser Entwicklung. Nachhaltigkeit sieht auf jeden Fall anders aus. Dazu kommt, dass die E-Roller bei geringem Akkustand von Transportern, die wiederum quer durch die Stadt fahren müssen, eingesammelt werden, um die fest verbauten Akkus aufzuladen. Dabei haben manche Anbieter diese Arbeit gleich komplett an Privatpersonen ausgelagert, welche für einen Hungerlohn Nacht für Nacht diese Dinger ins heimische Wohnzimmer schleppen, um sie dort an die Steckdose zu hängen. Auch die Prognose, dass Manche dadurch aufs Auto verzichten würden, hat sich nicht bestätigt. Vielmehr hat sich herausgestellt, dass vor allem Strecken die sonst zu Fuß oder mit dem eigenen Fahrrad zurückgelegt worden wären, durch solche Sharing- Angebote ersetzt wurden.

Alles in allem entpuppt sich das Märchen des grünen Fortbewegungsmittel also als große Lüge und ist nur ein weiterer Ausdruck von Plattformkapitalismus und digitaler Kontrolle auf dem Weg zur „smart city“. Smarte Köpfe haben das längst verstanden und arbeiten unentwegt daran, diese Datenfresser wieder aus dem Verkehr zu ziehen. (Siehe Kasten)

Uberfall-Kommando

Ende August erschien unter dem Motto „Uber plätten“ ein Aufruf, die roten Sharing-Fahrräder mit der weissen Aufschrift „Jump“, der Firma Uber, im großen Stil zu sabotieren. Darin heißt es:

[…] Uber war als Kind schon scheiße. Bereits das Kerngeschäft der Vermittlung von Personenbeförderungsangeboten ist ausbeuterischer Plattformkapitalismus in Reinform. Durch rechtliche Tricksereien fahren Fahrer*innen nicht direkt für das Unternehmen, sondern sind über Zwischenunternehmen oder als „Selbstständige“ angestellt. Dadurch ist es nahezu unmöglich, selbst rudimentäre Arbeitsrechte einzufordern […] Über die auf individueller Maximalausbeutung beruhende Preistreiberei verschärft das Unternehmen indirekt auch die Arbeitsbedingungen im ohnehin schon unter Druck stehenden Taxigewerbe […] Stecht den beschissenen Fahrrädern, wo immer ihr ihnen begegnet, die Reifen auf! Durch Reparatur- und Ausfallkosten sollten dem Konzern, seinen Subunternehmen und dessen Versicherungen bei einer flächendeckenden Zerstörung einiges an Kosten anfallen. […] uberplaetten.blackblogs.org
Dieser Aufruf schien auf offene Ohren gestoßen zu sein und schnell Früchte zu tragen. So titelte der Berliner Kurier kurze Zeit darauf vom „Uberfall- Kommando“ und zerstörerischen Attacken auf E-Roller und Leihräder. Eine Vielzahl dieser hippen Fortbewegungsmittel sei mutwillig zerstört worden. Während manchen Leihrädern die Reifen geplättet oder die QR- Codes unkenntlich gemacht wurden, landeten andere gleich in der Spree oder wurden abgefackelt. In Sozialen Medien gab es Berichte, dass ganze Stadtteile von der Sabotage betroffen wären und es kaum möglich sei, ein fahrtüchtiges Rad von Uber zu finden. Manche äußerten ihr Unverständnis dafür und meinen, dass das Zerstören von „klimafreundlichen Alternativen“ nicht zielführend wäre, um das System zu bekämpfen. Wir meinen schon und erinnern uns gerne daran, wie ausgiebige Alltags- Sabotage bereits dem Leihfahrrad- Anbieter Obike ein frühes Aus bescherte. Der chinesische Anbieter hatte Anfang 2018 mehrere Großstädte versuchsweise mit tausenden Leihfahrrädern geflutet und war überrascht gewesen, auf wie viel Widerstand die zugeparkten Bürgersteige und die Datensammelei stießen.