Bist du schon mal bestraft worden? Mit bösen Worten, Ignoranz oder Blicken? Was hat es bei dir ausgelöst? Bei mir hat es immer Trotzreaktionen ausgelöst. Wer meint, mir nur mit Ignoranz deutlich machen zu können, dass ich mich falsch verhalten habe, mit dem*r will ich sowieso nichts zu tun haben. Hier ist kein Verständnis ergo gemeinsame Veränderung möglich. Wer mich mit Blicken straft, wird nur zurück mit Todesblicken angeschaut. Trotz und Abkehr. Ich habe kaum Lust, mich dieser Ignoranz ein zweites Mal auszusetzen. Ich verweigere mich einer Bettelei um Verzeihung und Anerkennung meiner Buße. Ich wende mich ab. Genauso funktioniert auch das heutige institutionalisierte Strafsystem im Großen. Vielleicht empfindet der*die Gefangene Reue, vielleicht gibt er*sie aber auch nur vor, etwas verstanden zu haben und nun ein besserer Mensch werden zu wollen. Aber wir wissen alle, wer einmal im Knast war, ist zunächst stigmatisiert, so dass der Weg in ein „normales“ Leben verstellt ist. Wer einmal im Knast war, hat das verbrieft auf jeder Schufa und jedem Führungszeugnis stehen. Das ist gewollt, damit die Angst vor Knast das eigene Urteilen und Handeln verunmöglicht. Das ist gewollt, damit der Bulle im Kopf größer ist, als der eigene Denkhorizont. Aus eben jener Angst schauen zu viele Leute auch an anderen Konflikten vorbei. Sie ignorieren stressige, hilfsbedürftige Situationen und Menschen, hören weg. Strafen führen nie zu wirklichen Veränderungen. Sie sollen Erziehungsmethoden sein, was an sich schon absurd ist, sie dienen aber nur dem Anpassungsdruck. Mit dem hiesigen Strafsystem ist keine bessere, ungefährlichere Gesellschaft möglich. Diese kann nur eine unterdrückte Gesellschaft mit erkauften Freiheiten sein. Wer Geld hat, kann sich im Falle von Missverhalten einfach wieder freikaufen. Plastisches Beispiel hierfür: das BVG-Ticket. Wer Kohle hat, kann sich ohnehin ein Ticket leisten, wer ohne Ticket erwischt wurde, kann sich von der Strafe freikaufen und auch noch so tun als wäre die Geldzahlung eine Strafe für sich. Wie viele von uns aber finden kostenlosen Nahverkehr richtig, können ihren Bullen im Kopf nicht zum Schweigen bringen und kaufen aus Sorge und Angst vor Kontrolleur*innen immer brav ihr Ticket?
Ohne jede Umschweife: Knäste gehören zerstört und abgeschafft! Denn diese sind in erster Linie menschenverachtend und tödlich. Sie dienen lediglich dem Erhalt von Eigentum und Kapitalismus. Sie sind der verschärfte Ausdruck von der anfänglich beschriebenen Ignoranz, nur auf einer institutionellen Ebene. Aber die Ideen dieser Kontroll- und Disziplinarinstanz reichen auch über die Knastmauern hinweg und sind maßgebende Grundlage unserer heutigen Gesellschaft. Bspw. die Knastindustrie, ein perverser Ausdruck der uns ohnehin umgebenden Arbeitswelt; Arbeit, nur um an einer Gesellschaft teilzunehmen, die nur auf Konsum aufgebaut ist, Arbeit um die drohenden Strafen, genannt Sanktionen, seitens der Jobcenter zu vermeiden. Zwar wurde das gerichtlich beschränkt, aber Behördenwillkür wirkt ähnlich. Arbeiten zu Niedriglöhnen für Konzerne und Firmen, die immer Arbeiter*innen abschöpfen bis der Arzt kommt und der kann dann nicht mal auf eine lebensfähige Rente verweisen. Arbeit wofür? Im uns bekannten Parlamentarismus ist sogar von „sicheren“ Renten die Rede. Sicherheit. Auch immer das Argument gegen Kriminelle aller Couleur.
Für wen gilt Sicherheit und wem wird sie garantiert? Dieses Stichwort wird auch genutzt um unsere Straßen und Plätze mit mehr Kontrolle zu überziehen. So soll aktuell mittels steigender Videoraumüberwachung, mehr Polizei auf den Straßen und dem Aufbau mobiler Wachen am Kottbusser Tor, im Görlitzer Park und auf der Warschauer Brücke das Knastsystem auf den Straßen ausgeweitet werden. Es gibt keine unsicheren Orte. Auf den genannten Plätzen hängen Leute ab, regelmäßig finden Konzerte statt, selbst Filmcrews mitsamt teurer Ausstattung drehen ihre neuesten Serien mit Berlinflair. Dieser laufende Ausbau zur Kontrollgesellschaft zielt einzig und allein auf ganz bestimmte Menschen ab; Arbeitslose, Illegalisierte und Arme sollen aus den bekannten Kiezen vertrieben werden. Insbesondere werden mit der steigenden Präsenz an Amtsträger*innen und Uniformierte unsere Konflikte an eben jene delegiert.
Wir verlernen unsere Auseinandersetzungen bei uns zu behalten und direkt miteinander Problemlösungen zu suchen. Meines Erachtens können wir Veränderung nur gemeinsam und im direkten Umfeld verhandeln, die gemeinsam mit der direkten, betroffenen Umwelt ausgearbeitet wird. Probleme ergeben sich meist im engeren Umfeld; wie bspw. der Nachbarschaftsstreit oder der Diebstahl im Laden um die Ecke. In dem Strafsystem, wie wir es kennen, gibt es zum einen die Obrigkeit, zum Bsp. Richter*innen, welche nach einem Katalog Strafen verteilen. Zum anderen sind es Obrigkeiten, die, einer Dienstleistung gleich, den Menschen die selbstbestimmte Konfliktfähigkeit und Klärung entziehen. Probleme werden an Bullen und Richter*innen delegiert und nicht die Ursachen, sondern nur die Symptome dieser kapitalistischen Gesellschaftsordnung werden behandelt. Wir kommen damit nicht weiter. Wenn in den genannten Beispielen die Nachbar*innen nach einem Gerichtsprozess wieder nach Hause gehen, werden sie mindestens für die nächsten Jahre nicht miteinander sprechen. Sie werden sich meiden und aus dem Weg gehen. Hätten sie diesen Konflikt direkt und mit Unterstützung weiterer Nachbar*innen gelöst, hätte sich viel eher eine Ebene des Wiederbegegnens ergeben. Mensch hätte einander nachvollziehbar machen können warum wer sich wie verhalten hat, aber so haben nur Gesetze entschieden, welche Strafe folgt und damit hat sich das Ganze.
In den hiesigen Verhältnissen können wir nicht ausschliessen dass manche bestehende gesellschaftliche Zustände und Konflikte auch mal mit Wut oder auch Rache beantwortet werden. Denn, bitte nicht falsch verstehen; die oben erwähnten Blicke und Ignoranz können ja gerne erster Ausdruck von Wut sein. Wenn danach das Gespräch gesucht oder ermöglicht wird, ist es kaum eine Form der Strafe. Wut ist immer eine erste Reaktion, die nicht gemaßregelt werden sollte. Wer keine Wut mehr empfindet, lebt nicht. Wenn jemensch mich nicht sieht, übersieht, dann werde ich zurecht wütend. Nur Wut kann mich und die Meinen sichtbar machen und dann ist es an allen, der direkten Umwelt einen Raum zu schaffen, über die Wut hinaus zu kommen und Kritik hörbar zu machen, Lösungen zu entwickeln.
Manchmal spielt auch Rache eine Rolle. Das kann sich schnell wie Strafen anfühlen, aber im Weiteren will ich die Unterscheidung zwischen Wut und Rache vertiefen. Am Beispiel der Familie Padovicz. Die Vermieter Padovicz spielen in Berlin keine unwichtige Rolle, in deren Besitz befinden sich um die 2000 Häuser. Nicht wenige Häuser stehen seit Jahren leer. Dennoch lassen es sich die Parlamentarier*innen nicht nehmen, die Eigentumsverhältnisse in ihrem Sinne durchzusetzen und zu stabilisieren. So werden immer Bullen sowie Gerichtsvollzieher*innen vorgeschickt, die Machtverhältnisse mit Gewalt durchzusetzen. Aktuell wehren sich Bewohner*innen der Padovicz-Häuser, bspw. die Liebig 34, gegen ihre Räumung. Dazu gibt es Versuche, die seit Jahren leerstehenden Häuser durch Besetzungen anzueignen. Unterstützt durch zahlreiche zerstörerische Aktionen, die sich gegen Immobilienbesitzer*innen richten, wie das Abfackeln von Autos, Einschmeißen von Scheiben oder direkte Besuche in Verwaltungsbüros etc. Diese sind als Ausdruck von Wut zu sehen. Angst vor Wohnungsverlust, dasVergegenwärtigen der Machtverhältnisse erzeugt verständliche Wut, produziert nachvollziehbaren Hass, was nur der konsequente Ausdruck langfristigen Unmutes ist und Veränderungen möglich macht. Es ist was anderes als Strafen, auch wenn es für manche diesen Eindruck erwecken mag. Strafen ist obrigkeitlichen Institutionen vorbehalten und zwischen Institutionen oder Obrigkeit und individuellen Gruppen, die zur Tat schreiten, liegt die Differenz eines Dialogs mit verschiedenen Mitteln. Lediglich haben Bewegungen, also Gruppen oder Zusammenschlüsse Machtverhältnisse analysiert und ausgemacht, sie haben ihre Position als jene ohne Stimme, als jene Ungesehene festgestellt. Diese Form der Wut ist Ausdruck davon. Dennoch kann ich mit Bestimmtheit Gruppen, die nach unten treten, wie Nazis und Faschist*innen keine Legitimation ihrer Wut zusprechen. Faschismus ist keine Meinung, deren Wut ist pure Dummheit und der Unwillen, sich von dieser Stumpfheit frei zu machen.
Strafen setzen beim Individuum an und zielen auf Gehorsam ab. Subversive direkte Angriffe und Aktionen auf Immobilienbesitzer*innen sollen gesellschaftliche Veränderung von Macht und Eigentumsverhältnisse ermöglichen. Es geht darum, die Stadtumstrukturierung zu zersetzen, aufzuhalten oder zurück zu drängen. Grundlegend aber ist der Wunsch nach einer Umwälzung der gesellschaftlichen Machtverhältnisse. Ergo kann bei solchen Aktionen auch nicht von purer Rache die Rede sein, auch wenn Momente von Rache darin enthalten sein mögen. Rache ist zunächst etwas wie Selbstermächtigung inne, dennoch hat Rache kaum eine revolutionäre Komponente, da die Wirkung stets limitiert ist. Aber nur eine revolutionäre Perspektive will ein neues Miteinander.
Rache ist auch sehr schnell ein Thema bei der Frage nach Mörder*innen, Nazis, Vergewaltiger*innen – sollen die frei rumlaufen? Sollen die nicht mehr bestraft werden? Ich sage: ja, nur nicht in dem hiesigen System und nur im Zusammenhang breiter gesellschaftlicher Veränderungen. Wie bereits dargestellt; eine andere Gesellschaft ist möglich. Das Leben ist immer komplex, vielfältig und zu großen Teilen unbestimmbar. Es ist abhängig von mir, dir und unserer uns jeweils umgebenden Umwelt und deren Belange, Bedürfnisse etc.. Auch wenn vielen Menschen derzeit, hinter ihren Bildschirmen verschanzt, das Leben ausschließlich auf sich bezogen vorkommt, so sind wir trotz alledem soziale Wesen und bedingen einander. Niemals wird es – in keiner totalitären und auch in keiner immer wieder frei verhandelbaren Gesellschaft absolute Sicherheit und totalen Frieden geben. Nehmen wir alles selbst in die Hand. „Zu sagen ‚hier herrscht Freiheit‘ ist immer ein Irrtum oder auch eine Lüge. Freiheit herrscht nicht.“
Das Geschäft mit der Einsperrung kann teuer werden
In Zwickau entsteht bis 2024 ein neuer Knastkomplex für die Länder Sachsen und Thüringen. Nach der Fertigstellung sollen hinter den sechs Meter hohen Mauern 820 Gefangene weg gesperrt werden. Diesen Sommer haben die Bauarbeiten dort begonnen und sogleich einige freiheitsliebende Menschen auf den Plan gerufen, welche mehrere Baufahrzeuge in Brand setzten. In einer Erklärung, die zu diesem Angriff auf de.indymedia veröffentlicht wurde, wird deutlich, dass hier nicht nur irgendwelche Firmen, die sich für solche Schweinereien nicht zu schade sind, am Knastbau beteiligen, sondern diese darüber hinaus auch personelle Überschneidungen ins rechte Lager zu Reichsbürger*innen und AfD haben.
Bei eben solchen Baufirmen hat es nun am 5. November erneut gebrannt. So wurden in Rodewisch beim Straßenbauunternehmen VSTR GmbH und bei der Hentschke Bau GmbH in Bautzen mehrere schwere Baugeräte abgefackelt. In einem Schreiben dazu heißt es: „Die Existenz der Knäste dient der Konditionierung des Menschen, der Verwaltung des Elends, der Vernichtung der Rebellion, der Marterung des Körpers, der Abstumpfung der Seele. […] Der Kampf um soziale Gerechtigkeit muss daher immer auch Kampf gegen diese Mentalität und die Existenz von Knästen sein. Der Kampf um die Befreiung der Menschen muss die Knastgesellschaft abschaffen.“