Schnee von gestern?

Wem nützt eigentlich die Klimakatastrophe?

Unerträgliche Hitze, krasse Regenfälle – und was ist eigentlich Schnee? Jedes Jahr erhöhen Wissenschaftler*innen ihre Prognosen zur globalen Erderwärmung. Der Klimawandel, oder besser gesagt die Klimakatastrophe, ist unbestreitbar und der Mensch als Ursache klar belegt, auch wenn es viele einflussreiche – vor allem – Politiker*innen und Industrielle gibt, die dies leugnen, um ihre eigenen Interessen zu wahren. Der stärkste Temperaturanstieg seit den 1970er Jahren ist messbar von einem erhöhten CO2-Gehalt in der Luft verursacht, obwohl die Sonnenaktivität gleichzeitig abnimmt. Es wird davon ausgegangen, dass es einen „Point of No Return“, einen „Tipping Point“ geben wird, ab dem sich die Erwärmung der Erde sozusagen selbst erwärmt und kein Zurück mehr möglich ist. Eine nicht mehr aufzuhaltende Spirale, die große Teile oder sogar die gesamte Erde für den Menschen unbewohnbar werden lässt. Weite Bereiche der heute bewohnten Erdfläche werden im Meer versinken oder verwüstet – vorerst im globalen Süden, wo sich die Meisten keine milliardenschweren Schutzmaßnahmen leisten können. Schon heute sind Millionen Menschen aufgrund von Klimafolgen auf der Flucht und viele mehr werden von der, vom reichen Norden, verursachten Klimakatastrophe von ihrem Zuhause vertrieben werden. Denn 80% der Treibhausgase blasen die G20-Länder in die Luft. Enorme Fluchtbewegungen könnten als Vorwand dienen, rassistische Hetze auszuweiten und salonfähiger zu machen. Um unsere Privilegien, unseren Wohlstand, welcher auf Kosten derer entstanden ist, die ihrer Existenzgrundlage beraubt wurden, zu verteidigen. Doch die Klimakatastrophe macht nicht vor den Toren Europas halt. Die Folgen und und die „Kosten“ übertragen wir auf künftige Generationen, die unseren Scheiß ausbaden müssen.

Gerade jedoch werden die Klimaveränderungen weltweit direkt spürbar, sie verlieren ihre Abstraktheit. Auch deshalb gehen viele, vor allem junge Menschen auf die Straße, um für „das Klima“ zu demonstrieren. Die Forderungen beschränken sich oft auf Appelle, persönlichen Verzicht und die Forderung nach „grüner“ Politik und Waren. Die Welt jedoch, in der wir leben, im Kapitalismus, basiert auf immerwährendem Wachstum und deshalb ist die Klimakatastrophe ein direktes Resultat dieser Lebensweise des immer steigenden Konsums und der Ausweitung von Ausbeutungsverhältnissen. Eine neue Klimapolitik, „grüne“ Waren und Dienstleistungen haben auch für herrschende Strukturen enorme Vorteile und Chancen. Neue Produkte können in riesigem Ausmaß auf den Markt geworfen werden, wobei (Luxus-)Konsum immer mehr mit einem moralisch korrektem Gefühl gekoppelt wird – Konsumieren, um die Welt zu retten. Konzerne und Regierungen werden wohl früher – oder eher zu spät – auf die Forderungen eingehen, denn alle sind selbst betroffen sowie Menschen, die für das Essentiellste eintreten, befriedet werden. Sie werden in Zukunft mit dem Klimaargument wahrscheinlich alles durchsetzen können, denn es gibt kein besseres Argument als die ganze Welt zu retten. Ein Argument, dem alles unterworfen werden kann, mit dem sich jede Totalität, Repression, Krieg und Ausbeutung rechtfertigen lässt.

Diese Restrukturierungen der Herrschaft, also dessen Neuordnungen, dienen immer der Verfeinerung und Vertiefung bestehender Verhältnisse, der Festigung von Machtstrukturen und der damit verbundenen Praktiken und Folgen: Manipulation, Fremdbestimmung, Ausbeutung und das Leben auf Kosten Anderer. Die aktuellen technologischen Entwicklungen passen da vorzüglich ins Bild. Der Kapitalismus breitet sich in alle Ebenen des Lebens aus und jede Beziehung, jedes Gefühl soll durch Interaktion mit Geräten ausbeutbar, kontrollierbar und auch beeinflussbar werden. Viele sogenannte „grüne“ und optimierte Technologien sind smart, vernetzt und überwacht. Und damit auch die Menschen, die sie nutzen. Wirtschaft und Politik werden versuchen, das ökologische Argument zu nutzen, um ihren Einfluss weiter auszubauen, bis Selbstbestimmung ein Wort von gestern ist. Ein kleines Beispiel unter Vielen ist die angestrebte intelligente Verkehrssteuerung, also die Erfassung möglichst vieler Daten durch Sensoren an Fortbewegungsmitteln und Straßen, um den Verkehr zu steuern. Vermeidet Stau, Stop-and-Go, somit CO2. Wenn man aber von Umweltverschmutzung und den schrecklichen Arbeitsbedingungen bei Produktion und Betrieb von Platinen etc. einmal absieht: Dass selbstfahrende Autos, Kameras an Lichtmasten und andere Sensoren durchgehend ihre ganze Umgebung scannen und auswerten und eine umfassende Kontrolle der Bewegungsprofile ermöglichen, scheint doch eine Kleinigkeit zu sein gegen die Zerstörung unserer Erde?

Das Argument der Ökologie ist ein wahrhaftiges „Totschlagargument“, wobei meist unterschlagen wird, dass die Zerstörung dieses Planeten und seiner Lebewesen soziale Ursachen hat. Warum sollten wir denen, die die Hauptverantwortung für diese Misere tragen, trauen, diese wieder zu beheben? Einem Ökonom zufolge sind die einkommensreichsten 10% der Weltbevölkerung für 45% der Emissionen verantwortlich, die unteren 50% der Bevölkerung lediglich für 13%. Wem dient nun eigentlich dieser ganze Verbrauch? Denjenigen, die am meisten davon profitieren und an den bestehenden Verhältnissen festhalten, denjenigen, die uns ihre Regeln aufdrücken und ihre Befugnisse ausbauen, denjenige, die Eigentum in unvorstellbarem Ausmaß anhäufen. Sie haben ein Interesse an ausuferndem Konsum, denn der Profit und die Ausbeutung von Menschen, Dingen und Informationen hält diese Welt der Ungerechtigkeiten am Laufen.

Die Bewegung Fridays for Future fordert Reformen, um das Klima zu retten. Forderungen gestellt an jene, die hauptverantwortlich sind für die ganze Misere. Ein gemütlicheres, gesunderes Gefängnis bitte! Es wird dabei vergessen, dass die Klimakatastrophe eine Folge genau dieser Machtverhältnisse ist und ein würdiges Leben nicht nur ein intaktes Klima zur Grundlage hat. Wer an die Politik appelliert, geht nicht die Ursachen an, sondern bettelt seinen Henker an, lieber lebenslang ins Gefängnis zu dürfen. Dabei brauchen wir eine Welt ohne Gefängnisse, ohne Klimakatastrophe, ohne Menschen, die auf Kosten anderer Leben oder für Andere entscheiden.

Was also tun, damit auch die Nachgeborenen noch die Möglichkeit haben, hier zu leben? Während der Konsum CO2-intensiver Güter weiterhin steigt, schlägt die Politik regelmäßig das Werkzeug des Emissionshandels vor. Doch ist dieser eindeutig Teil des Problems: Wer reich ist, also in der Regel der globale Norden, kann sich freikaufen und mehr CO2 in die Luft pusten. Emissionen und Wälder werden gegeneinander aufgerechnet, wodurch aber die Nutzung fossiler Brennstoffe und die Art der Lebensweise und Produktion keineswegs in Frage gestellt werden. Außerdem lagern die Industrien des globalen Nordens ihre Produktionen oft einfach in den globalen Süden aus, wo keine Emissionsabgaben geleistet werden müssen. Also ein typisches Beispiel für die Verlogenheit von Politik und Industrie, die alles daran setzen, die Verhältnisse im Grunde so zu belassen und zu verteidigen, wie sie jetzt sind: menschenverachtend, herrschaftlich und profitorientiert.

Zweifelsfrei müssen wir auch unsere Lebensweise ändern. Die größte Vermeidung von CO2 könnte durch Änderung von Konsum, Ernährung und Fortbewegung erreicht werden. Wir müssen uns damit abfinden, dass sich ein erdverträgliches Leben keinen ausufernden Konsum leisten kann. Dass dieser an sich sowieso nicht glücklich macht, ist für alle überall sichtbar, Depression ist eine anerkannte „Zivilisationskrankheit“. Eine Welt, die nicht einer totalen technologisierten Kontrolle unterworfen ist und die Erde und damit unser eigenes Leben achtet, muss sich eher an der Erfüllung von Grundbedürfnissen und der Qualität von Beziehungen orientieren und nicht an kurzfristiger Dopaminausschüttung beim Shoppen und dem größtmöglichen Profit. Sogenannter ethischer Konsum kann vielleicht durch Bioessen für etwas weniger Gift auf den Äckern sorgen und ein Fahrradurlaub statt Fliegen spart auch etwas CO2 ein, was sicher nicht schlecht ist. Doch diejenigen, denen hoher Energieverbrauch etc. dient, sie haben enormen Einfluss – werden mit aller Macht ein konsumorientiertes Leben forcieren, da dies Grundlage dieser Gesellschaft ist. Und selbst wenn Regierungen und Konzerne „grün“ werden würden – sie werden dafür sorgen, dass Massenkonsum, Privilegien, Fremdbestimmung und Herrschaft bestehen bleiben und ihre Macht ausgebaut wird.

„Aufstand oder Aussterben“ ist ein verbreiteter Slogan einer Klimagruppe, der – mehr zu der Kritik an dieser Gruppe in der Kanaille Nr. 2 – treffend formuliert, in welcher Situation wir uns gerade befinden. Wenn das gesamte System, welches uns gerade in den Abgrund treibt, in Frage gestellt werden soll, können wir uns jedoch nicht deren Regeln fügen, denn das würden sie niemals akzeptieren. Herrschaft und Ausbeutung an sich in Frage zu stellen, bedeutet auch diese in all ihren Formen anzugreifen, um klare Brüche in dieser Gesellschaft zu provozieren. Die Klimakatastrophe ist untrennbar verbunden mit anderen – ja allen – sozialen Fragen.

Der Mensch sollte sich als Teil der Natur sehen, nicht als dessen Verwalter*in oder Konsumist*in. Die aktuelle tiefgehende Entfremdung hat uns jedoch von ihr getrennt, wie auch teilweise von unserem sozialen Umfeld, erst recht von den Dingen, die uns umgeben und sogar von uns selbst. All dies erleichtert die Machtausübung über andere Menschen. Wenn wir den Fokus aber auf solidarisches Miteinander in direkter Selbstbestimmung legen, können wir vielleicht Ideen und Fragen entwickeln, die uns zu einem ganz anderen Leben bewegen. Das schenkt uns jedoch niemand: ich muss bei mir selbst anfangen. Anfangen, die Qualität des Sozialen über die Quantität der Dinge zu stellen und sich zu organisieren. Anfangen, Entscheidungen, Dinge und Alltägliches selbst in die Hand zu nehmen und die Entfremdung zurückdrängen. Anfangen, die Strukturen, die diese verheerenden Entwicklungen vorantreiben anzugreifen, um Aufstände und Praktiken zu entfesseln, die das eigene Handeln tiefgehend in Frage stellen und totale Freiheit statt Klimakatastrophe umsetzen statt fordern. Everyday for now!

Angriff auf Tesla in Hamburg:

Als Waldbesetzer*innen in Grünheide Tesla dabei hindern, ihre Megafabrik zu bauen, griffen Andere am 26. Februar in Hamburg 12 Luxusautos und einen Dienstwagen von Tesla mit Bitumen an. Aus dem Bekenner*innenschreiben: “Wir finden es super, dass ein paar Baumpirat*innen innerhalb von kurzer Zeit zweimal den Wald besetzt haben, um sich gegen die Rodung zu wehren. Wir können jedoch überall etwas gegen Tesla tun, denn in fast jeder Stadt und auch in einigen Dörfern sind Standorte von ihnen zu finden. (tesla.com/findus). Wir schlagen einen dezentralen Kampf gegen die Teslafabrik und alle anderen Technologiestandorte vor.“