Buchempfehlung: Gegen das Getreide

Welcher Nutzen ergab sich für den Menschen, indem er sesshaft wurde, sich staatlich organisierte und Städte gründete? Ginge es nach James C. Scott, hatte diese Entwicklung vor allem negative Folgen für den größten Teil der Menschen – soziale Hierarchien, Patriarchat, einseitige bzw. ungesunde Ernährung, Zivilisationskrankheiten, Ausbeutung, Domestizierung nicht nur der Natur und Tiere, sondern auch der Menschen,… und in Anbetracht der heutigen „Klima-Krise“ im „Zeitalter des Menschen“ (Antropozän), die Zerstörung der Erde. In dem Buch Against the Grain – A Deep History of the Earliest States (2017) zeigt James auf, dass diese Entwicklung in keinster Weise eine natürliche war. In seiner detaillierten Analyse bricht er den Mythos des Fortschritts: Nomaden → Ackerbau → Staatsgründung. Der Mensch, der den größten Zeitraum seiner Existenz Nomade war, nicht-staatlich sesshaft lebte, oder Hybridform zwischen Beiden, wurde unter Zwang in den Staat gegliedert. Der frühe Staat beruhte einerseits auf dem Zwang (z.B. unfreie Arbeit, Zölle, gezwungene Sesshaftigkeit), der Domestizierung von Natur, Tieren und Menschen, und andererseits auf der Getreideproduktion. Die akribische spezifische und zentralisierte Arbeit, die die Domestizierung von der Natur hervorrief, machte den größten Teil der Menschen unter dem Staat zu Unfreien (wenn nicht sogar zu Sklav*innen). Der Anbau von Getreide ermöglichte es, für eine Elite Machtstrukturen aufzubauen und ihre Macht zu erzwingen. Heute kennen wir scheinbar nichts außerhalb des Staates und noch trauriger, wir können uns nichts anderes vorstellen. Das Buch von Scott zeigt jedoch die unversöhnliche Alternative zu dem Staat. Er erzählt die Geschichte der Barbaren, denjenigen Menschen, die sich keinem staatlichen Zwang unterstellten. Sie waren mal sesshaft und gründeten Städte, wenn sie es für notwendig erachteten, oder sie zogen weiter, und diese Städte verschwanden. Auf der anderen Seite der Staat, das brutale Projekt, das die Menschen, wen
n es möglich war, vermieden. Ein Bruch mit dem linearen Fortschrittsdenken.

Mitte dieses Jahres erschien das Buch auf deutsch. Die Übersetzung trägt leider den unpassenden Titel „Die Mühlen der Zivilisation – Eine Tiefengeschichte der frühesten Staaten“. Gegen das Getreide wäre wahrscheinlich passender, denn das Buch ist mehr als nur eine Geschichte des frühen Staates. Es ist eine Provokation gegen den Fortschrittsglauben und den Staat. Gerade heute, wenn die Diskussion über den Klimawandel und Umweltzerstörung, in dem Zeitalter des Anthropozän, nicht über Forderungen an den Staat oder staatliche Veränderungen hinweg kommt, zeigen die staatsfeindlichen Barbaren bei Scott mehr als nur einen erfrischenden Vorschlag auf.