Buchempfehlung: Allein machen sie dich ein – der „Blues der Städte“

Mit diesem Buch liegt nun endlich eine detaillierte und hintergründige Zusammenfassung zur Geschichte der Gruppe „Bewegung 2. Juni“ vor, einer bewaffneten Gruppe aus den 70ern, die bis in die 80er bestand. Neben einer personellen Aufstellung und der chronologischen Darstellung von Aktionen und Reaktionen, geht es vor allem um die Reflexion der Kämpfe und Texte zu jener Zeit und aus heutiger Sicht.

Es beginnt mit einem historischen Rückblick auf Kämpfe, auf welche sich die jungen Menschen damals bezogen haben mochten. So werden neben den Leben und Taten Georg Büchners (1813- 1837) und August Reinsdorf‘ (Anarchist Ende des 19. Jh.) auch die Arbeiterstreiks von 1946-48 beschrieben, die 1948 in einem bisher einmalig gebliebenen Streik, an dem neun Mio. Menschen beteiligt waren, gipfelten. Ebenso zur Politisierung trugen der Vietnamkrieg und Kontinuität des Faschismus durch die vielen Altnazis in führenden Positionen bei. So werden viele von ehemaligen NSDAP‘lern in den 60ern besetzte Posten aufgelistet. Neben bekannten historischen Eckpunkten, wie der Ermordung Benno Ohnesorgs oder den Ausschreitungen nach dem Rolling Stones Konzert in der Waldbühne im September 1965, wird auch auf die Black Panther aus den USA oder die Befreiungsbewegungen Uruguays eingegangen, zwei Beispiele von Bezugspunkten, welche die Menschen in den 60ern mit Aufmerksamkeit und Solidarität verfolgten.

Die zweite Hälfte des Buches wird von der Entstehung und Praxis der „Bewegung 2. Juni“ bestimmt. Dazu gehören Anschläge gegen militärische Einrichtungen, die Entführung des Bürgermeisterkandidaten der CDU 1975, welche zur Befreiung von 5 Gefangenen der Bewegung führte, Banküberfälle, … Aus dieser Zeit ist vielen Menschen die RAF bekannt, natürlich bleibt sie hier nicht unerwähnt. Im Gegenteil, viele Kämpfe bezogen sich auf eine ähnliche Analyse der Herrschaftsverhältnisse und wurden zu gemeinsamen Kämpfen. Die Gruppen haben sich vor allem materiell unterstützt, aber auch gemeinsam gegen Haftbedingungen gekämpft, wie bspw. in kollektiven Hungerstreiks. Doch hier werden Unterschiede deutlich, weil sich der 2. Juni auch auf die sozialen und nicht nur politischen Gefangenen bezog. Anhand zitierter Texte und Interviews werden politische Differenzen und gegenseitige Vorhaltungen, wie Avantgardismus (RAF) oder mangelnde Ernsthaftigkeit, bspw. mit der Verteilung von Schokoküssen während eines Banküberfalls (Bewegung 2. Juni), aufgezeigt.

Dem Autoren Roman Danyluk ist die „Bewegung 2. Juni“ näher. So macht er deutlich, dass die Gruppe stets bemüht gewesen sei, sich selbst eine hierarchiefreie Struktur zu geben; den Anspruch hatte, sich in soziale Kämpfe mit einzubringen, an deren Plena und Aktionen teilzunehmen, sich auf diese zu beziehen und Netze außerhalb der Illegalität herzustellen. Es ist diese Bezugnahme verschiedener Kämpfe aufeinander, auf historische Kämpfe und vor allem Berichte über die Solidarität Vieler mit denen im Knast Gefangenen, welche das Buch so anregend machen.

Ungeachtet jeglicher Fähigkeiten können alle zu der Umwälzung der Verhältnisse ihren Teil beitragen. Jedes Körnchen Solidarität kann schon etwas bewirken. Auch heute kann es uns gelingen, Feind und Freund deutlicher zu unterscheiden, wenn wir uns zusammen tun und die Verhältnisse gemeinsam ähnlich tiefgründig reflektieren und zusammen mit denen, die gleiches wollen, kaputt machen, was uns kaputt macht. Dafür brauchen wir Mut und genügend Neugierde füreinander. Dieses Buch kann eine Anregung dazu sein.