Gedanken über eine technologisierte Gesellschaft
Der Ausbau des technologischen Netzes führt immer mehr dazu, dass sich jeder und jede diesem Netz anpassen muss. Neben dem Erlernen von neuen Fähigkeiten bedeutet das auch den Erwerb von neuen Geräten. Wie z.B. das Smartphone, um nur das Offensichtlichste zu nennen, oder eine „Online-Präsenz“ in Sozialen Medien. Wer keinen Facebook-Account hat, bekommt nur das halbe Leben mit und wird in Zukunft wahrscheinlich auch nur begrenzten öffentlichen Zugang haben. Bargeld soll verschwinden und durch digitale Transaktionen ersetzt werden (wie es zum Beispiel zum großen Teil bereits in skandinavischen Ländern der Fall ist). Der Zweck ist vermutlich die Ausweitung der digitalen Kontrolle des Staates so wie die illegalen Bargeld-Transaktionen trocken zu legen. Wer die klassische Version des Tickets für Bus und Bahn wählt, und zwar das Ticket am Automaten mit Bargeld zu kaufen, zahlt mehr, als wenn man es online kauft. Bleiben wir bei der Mobilität, wo es stets darum geht, sich noch schneller fort zu bewegen, und mehr Kontrolle über sich ergehen lassen, sprich: bleiben wir beim steigenden Kontrollausbau bei Bus, Bahn und Flugzeug bzw. Flughäfen und Bahnhöfen. Wählt man die BVG als Fortbewegungsmittel, wird man auf Schritt und Tritt ab gefilmt. Oder spinnen wir etwas weiter herum mit den Gedanken, die jedoch nicht soweit entfernt in der Zukunft liegen und teilweise an manchen Orten der Welt bereits praktiziert werden: Du findest keine Krankenkasse, da du keinen smarten Kühlschrank hast, und die Kasse somit deine Ernährung nicht „beobachten“ kann. Du bekommst keinen Zutritt zu bestimmten Orten und Plätzen, weil dein Gesicht nicht registriert ist. Du wirkst suspekt, weil du keinen Facebook-Account hast. Usw…
Der Ausbau der technologischen Kontrolle beruht auf dem Erhalt von Herrschaft und der Stabilisierung der Macht- und Eigentumsverhältnisse. Der technologische Fortschritt hält das System, den Kapitalismus am Laufen. Er produziert gleichzeitig neue Märkte und weitet seine Macht, wie sein Kontrollgebiet aus. Dem technologischen Netz kann man sich momentan teilweise noch entziehen – da es Lücken hat – oder man wird zumindest nicht direkt verdächtigt. Die Beobachtung dieser Entwicklung und die Analyse, dass die Kontrolle ein elementarer Teil der Technologie ist, lässt doch wahrscheinlich darauf schließen, dass diejenigen zumindest ausgeschlossen werden, die sich diesem Diktat der Technologie verwehren, wenn sie nicht sogar zu Illegalen werden. Die Ausgrenzung ist allerdings nichts neues. Jede Herrschaft, wie auch die Demokratie, grenzt Menschen aus, unterscheidet zwischen Eingeschlossenen und Ausgeschlossenen. Menschen, die Teil der Gesellschaft sind, und solche, die aus ihr ausgeschlossen werden. Die bestehende demokratische Herrschaft schließt Menschen z.b. entweder vor den Toren von Europa aus, oder grenzt sie innerhalb ein, durch Knäste, Arbeit oder geringe finanzielle Mittel. Wer Teil der Gesellschaft sein möchte, muss sich integrieren, die Ausbeutung akzeptieren und den Staat als höchste Autorität anerkennen. Wer dies nicht tut, weil er oder sie keine andere Wahl hat, oder sich bewusst dafür entscheidet, wird zur Störenfried*in, Kriminellen oder auch Illegalen.
Wenn wir heute die technologische Entwicklung sehen, wie u.a. im Bereich der KI-Forschung, Big Data, Automatisierungen (Stichwort: Industrie 4.0), dann lässt diese darauf schließen, dass sich die Ausgrenzung durch die Gesellschaft ziehen wird. Anders gesagt, das Diktat der Technologie stellt die Grenzen der Inklusion und Exklusion. Es ist kein Platz mehr für Zweifel an der Neutralität der Technologie und Techniken, Fragen über mögliche Risiken, Äußerung von Ängsten, Unbehagen gegenüber Robotern oder technische Schlussfolgerungen. Und dann die Fragen: Was wird mit den Menschen, die auf dem staatlichen Territorium leben, sich jedoch der Herrschaft und mit ihr dem technologischen Diktat verwehren? Wahrscheinlich werden sie zu Illegalen. Wie es heute Menschen zu Illegalen macht, die die Gesetze der Grenzen und Papiere missachten und diejenigen, die sich entscheiden, sich den Klauen der Repression zu entziehen und unterzutauchen.
Es zeigt sich jedoch bereits heute, dass die Illegalität keine passive Handlung ist, sondern eine Aktive und einen Versuch darstellt, selbstbestimmt zu leben. Es kann also nicht nur eine Handlung sein, um im Schatten der Macht nach Freiheit zu atmen, sondern die Notwendigkeit, im Verborgenen zu bleiben, kann als kämpferisches Projekt betrachtet werden. Sind es heute die Zerstörung von Sicherungen der Grenzen, Überwachung, Einbrüche in Ausländerbehörden, das Verstecken von Illegalen, um gegen das Konstrukt der Ausgrenzung zu kämpfen; so zeigen die Angriffe gegen den technologischen Ausbau, gegen Funkmasten, Antennen, Stromversorgungen, Kabel und alle Angriffe, die Lücken in dem technologischen Netz erzeugen, eine mögliche Projektualität, gegen die Macht zu kämpfen.