Ein Schiff in den Sand setzen

Es ist fast schon eine Komödie anzusehen wie ein Missgeschick zu einem weltweiten ökonomischen Desaster führt.

Die Schadenfreude oder ein betroffenes Stirnrunzeln, die womöglich bei den epischen Bilder aufkommen, bringen wie bei jedem Fiasko niemandem etwas. Doch eine Erkenntnis ist unwiderruflich: es gibt immer wieder Schwachstellen in dem noch so perfekten globalen Kapitalismus. Zwischenfälle die eine Blockade des Warenflusses deuten auf eine strukturelle Anfälligkeit hin. Die bewusste Handlung die zum Stillstand führen soll, wird meist mit der Sabotage in Verbindung gebracht, die natürlich nur Abtrünnige der Gesellschaft begehen können. Ein unbewusstes oder ungewolltes Geschehen ist per Definition etwas Fremdbestimmtes, von einer höheren Instanz wo keine Verantwortung bei niemandem besteht. Dieser Fall der Fälle wird auch allgemein Unfall genannt und meistens von irgendeiner Versicherung abgedeckt. Irgendwer muss ja für den Schaden aufkommen. So gesehen haben auch Unfälle ihren Stellenwert im Kapitalismus. Es gab sie, es gibt sie und es wird sie immer geben, egal welcher Größenordnung. Daher lautet die Frage für die Eigentümer und Staaten eher wie damit Umgehen.

Doch wer will nun für den Schaden, für den „Auffahrunfall“ im Suez-Kanal aufkommen? Wer verantwortet sich dafür? Jede Antwort wäre lächerlich. Der Kapitän von der „Evergiven“ etwa? Oder die Reederei? Auch wenn alle zwei dafür gerade stehen würden, Fakt ist der unermessliche ökonomische Schaden. Es ist einfach wunderbar immer wieder mit anzusehen wie der Kapitalismus sich selber entlarvt, indem er keine Antworten auf seine eigenen verursachten Probleme geben kann. Dieser Glauben an das Kapital beruht auf der Wunschvorstellung das jeder Konflikt auf eine ökonomische Ebene reduziert und behoben werden kann. Beim Fall der „Evergiven“ stellt sich wahrlich die Frage ob so ein Unglück nun tatsächlich den Rahmen sprengt. Wäre das aber der Fall, würde der Kapitalismus vermutlich ab diesem Moment langsam aber stetig in sich zusammenbrechen, macht er aber nicht. Um ehrlich zu sein, war das noch nie der Fall, egal wie gravierend ein einzelner Unfall war. Im Gegenteil, die Marktwirtschaft ist ein Konstrukt das sich u.a. durch „Schwachstellen“ weiterentwickeln kann. Der Effizienzgedanke hinter der Fehlerhaftigkeit ist der treibende Motor des Kapitals, der trotz allem auch aus einer „Evergiven“ etwas profitables ziehen lässt.

Diese Logik ist vielen bekannt, außer dem alten Marx der dachte, dass man nur warten muss bis das Kapital von alleine kollabiert. Nur wer Fehler begeht, kann lernen und das macht das Kapital besser denn je. Warum muss überhaupt aus jedem Fehler immer dieselbe Lehre gezogen werden, die darauf aus ist den Gesamtmechanismus der hinter dem Kapitalismus steht, zu optimieren, anstatt ihn zu hinterfragen? Dieses Dogma ist zu tiefst religiös. Nach dem Supergau ist vor dem Supergau. Die „Ratio“ und die Erkenntnis durch Unfälle wie der „Evergiven“, können doch eher dazu anregen misslungene Ansätze zu evaluieren und von Grund auf zu verändern. Solange auf dieser Welt und in dieser Gesellschaft der Gesamtmechanismus weiter tickt, wir es immer wieder „Evergivens“ geben. Es wäre tatsächlich möglich ohne Atomenergie, Kohlekraftwerke, Staat, Geld und Eigentum zu leben, doch existieren sie weiter solange die Menschen daran glauben. Egal wie zerstörerisch oder aberwitzig die Schwachstellen und Unfälle sind, sie werden es nicht schaffen den Fortbestand des Kapitals zu verhindern. Dafür braucht es keine Zufälle sondern die bewusste Absicht nicht nur ein Schiff sondern den Kapitalismus in den Sand zu setzen.