Die tatsächliche Wahl

Alle Menschen wählen tagtäglich, sei es aufzustehen und zur Arbeit zu gehen, ein Boss oder kein Boss zu sein, zum Militär zu gehen oder nicht. Die Zwänge und die Abhängigkeiten, die dahinter stehen verleiten meistens dann doch dazu aufzustehen… von echter Freiwilligkeit ist in dem Fall wohl kaum zu sprechen. Doch jede Wahl bedeutet Verantwortung für die Konsequenzen zu übernehmen. Manchmal nehmen wir sie gezwungenermaßen in Kauf, manchmal auch nicht, aber auch das Wählen oder Nichtwählen hat seine Folgen. Das Nichtwählen ist weniger eine Frage des sich Entziehens, sondern die Wahl zu treffen, die auf die Möglichkeiten abzielt im eigenen Umfeld etwas zu verändern. Im demokratischen Diskurs des Wählens wird ein Wunsch nach Freiheit auf eine grundlegende Veränderung, auf einer oder mehreren Ideen, Gedanken und Träume, zu Grabe getragen. Die Demokratie, die „Volksherrschaft“ ist nichts Wert, denn solange Menschen andere beherrschen und dies zum guten demokratischen Ton gehört, wird sich nichts grundlegendes in dieser Gesellschaft verändern. Diese demokratischen Grundwerte, die auf einem tief verankerten Staatsglauben beruhen, sind verantwortlich für die Ausbeutungs- und Zwangsverhältnisse, die sich wie eine Katze in den eigenen Schwanz beißt und alle 4 Jahre von neuem legitimiert werden. Die Auswirkungen von der Aufrechterhaltung dieser Ordnung schafft auf allen Ebenen lokale und globale Konflikte. Herrschaft, Macht, Autorität und der Glaube daran, dass ihre Ausübung Recht und Ordnung schaffen würden ist das Gegenteil von der individuellen und kollektiven Möglichkeit zu Wählen.

Diese Zeilen mögen sehr abstrakt klingen und die Herausforderung liegt darin Ansätze zu finden, die diese Welt und ihre Werte zum Einsturz bringen. Bei den politischen Wahlen nicht zu wählen ist eine Handlung gegen diese Gesellschaft und ihre Werte, die z.B. auf Herrschaft und Eigentum aufbauen. Für antipolitische und antiautoritäre Tendenzen ist es meist einfach den Ist-Zustand zu beschreiben, zu analysieren und zu verdammen, ohne jedoch das Augenmerk auf die eigenen Ideen und Methoden zu richten. Essen klauen, Häuser und Plätze besetzen, Symbole des Kapitalismus brandstiften und entweihen oder auch in einem Gemeinschaftsgarten kollektiv und ohne Hierarchien Gemüse anzubauen sind nötige Handlungen um jetzt schon die Grundfesten zum bröckeln zu bringen. Jede*r kann jederzeit wählen, unabhängig von Privilegien, einer Demokratie oder Diktatur. Die Konsequenzen die dafür zu bezahlen sind, sind leider unterschiedlich und ungerecht. Die revolutionäre Wahl ist ein Wagnis ohne Gewissheit – ganz im Gegensatz zur politischen Wahl, die mit ihren Sicherheitsversprechen keine Änderungen hervorruft und wenn dann nur für einen Teil der Oberschicht, oder um die Unterschicht zu besänftigen. Mit diesen Worten stellen sich viele Fragen, denn wenn die politischen Wahlen außerhalb der Möglichkeiten stehen, etwas zu verändern, was kann dann getan werden? Es gab und es gibt immer wieder Menschen die sich dessen bewusst werden, und anstatt zu gehorchen, gehen sie auf die Straßen dieser Welt und fordern keine Reformen und Fortschritt mehr, sondern eine komplette Umwälzung, in der kein Platz für die alte Normalität ist.

Für die Staatsgläubigen funktioniert es wahrlich durch Politik und Reformen temporäre „Verbesserungen“ zu erringen, doch keine Politik kann die Ordnung von Grund auf in Frage stellen, sonst müsste sie sich von einem Moment auf den anderen selbst-entmachten und das ist bisher eher selten passiert. Jegliches Machtverhältnis kann nicht ohne Befürwortung, dem Durst nach Macht existieren. Die Teilnahme oder der Ausbruch aus diesem Teufelskreis ist die tatsächliche Wahl-Frage.

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