Schüsse in Hanau

Wieder schießt jemand aus rassistischen Beweggründen auf Menschen. Diesmal am 19. Februar in Hanau. Anders als bei ähnlichen Taten davor ist, dass die Regierenden nicht mehr verleugnen können, dass Deutschland ein Problem mit Rechtsradikalismus und seinen tödlichen Folgen hat. Lange genug wurden Taten, die einem rassistischen oder faschistischen Diskurs entsprangen, als Taten von einem „psychisch-kranken“ Einzeltäter abgetan. Das Fingerzeigen auf Andere hält Eine*n selber fern von jeglicher Kritik.

Zweifellos schürt die AfD völkische und rassistische Ressentiments und die Faschobanden sammeln nicht Waffen, um sie lediglich im Schrank zu horten. Aber darüber hinaus kommen immer wieder Fälle raus – was so manche bereits vermuteten – in denen Cops aktiv in rechtsradikalen Netzwerken beteiligt sind. Maaßen (ehem. Präsident des Verfassungsschutzes) verharmlost auch nach Hanau rechte Gewalt und der Verfassungsschutz behindert massiv die Aufklärung des NSU. Das BKA versteht die Verschwörungstheorien und den „Wahn“ des Mörders von Hanau als ausschlaggebenden Grund statt Rassismus und sieht die Opfer als Zufälle, so wie auch den Tatort, eine Shishabar. Bei Fußballspielen werden andauernd Spieler rassistisch beleidigt, nur in letzter Zeit werden einige Fälle medial thematisiert. Gerichte, wie zuletzt in Berlin, legitimieren diskriminierende Begriffe. Bei der Bundeswehr verschwinden Waffen, die später bei Nazis gefunden werden. Und so weiter. Ja ja, alles Einzelfälle?

Wie oft müssen die wahren Demokraten noch betonen, dass Rechtsradikale, die AfD und Konsorten sich außerhalb ihrer Demokratie befinden, damit sie selber auch wirklich glauben, dass sich Rassismus und Faschismus außerhalb des Randes abspielt und die Demokratie davon frei ist? Es erscheint wie das verstoßene Kind, das versucht wird im Keller zu verstecken.
Was Hanau leider zum wiederholten Mal zeigt: Rassismus tötet! Dabei ist die rassistische Tat nicht irgendeine Fantasie eines Spinners, der sich dies in seinem Zimmer zusammenreimt, nein, die (demokratische) Gesellschaft hat ein Problem mit Rassismus. Es ist ein strukturelles Problem mit Todesfolgen!

Im Januar diesen Jahres verbietet das Bundesinnenministerium den deutschen Ableger „Combat 18“. Eine Woche vor Hanau brüsten sich die Sicherheitsbehörden noch mit einem Coup gegen eine bundesweit vernetzte rechte Gruppe vorgegangen zu sein. Dann die Schüsse in Hanau. Ein Einzelfall? Aus dem Nichts Schüsse auf Shishabars? Und danach spricht sich der Innenminister Seehofer ernsthaft für eine stärkere Polizeipräsenz aus. Dass Verbote nichts bringen und dass bei den Razzien im Februar ein Bulle aus NRW in der rechten Gruppe war, lasse ich hier der Ironie halber unkommentiert.

Und nun, nach Hanau, sind alle dabei die Linie zwischen Rechten und der Demokratie zu ziehen. Als wäre die Wurzel und das Problem ein Fremdkörper der Demokratie. Während derweilen die gesellschaftlichen Diskussionen über Shishabars, „Kriminelle“, Großfamilien, illegalisierte Geflüchtete,… weiterhin maßgeblich geprägt sind von Rassismus. Die jungen Menschen, die Überlebenden von Hanau, die jetzt vor den Kameras der Journalist*innen in Hanau stehen, wären wahrscheinlich vor ein paar Monaten in der Presse diejenigen gewesen, die sich nicht integrieren wollen. Sie wären indirekt oder direkt damit gemeint, wenn wieder von Kriminellen die Rede ist, die sich in Shishabars herumtreiben.

Es geht darum, die Probleme Rassismus und Faschismus gesellschaftlich von unten anzugehen und sie nicht an irgendeine Politik zu delegieren. Es ist ein Teil, sich faschistischen und rassistischen Ideen und Akteur*innen offensiv entgegenzustellen. Ein Anderer ist es, denjenigen Menschen Raum zu geben, die davon am meisten betroffen sind. Wie viele weiße Menschen streiten es noch ab, dass es Rassismus gibt oder leugnen die Erfahrungen von schwarzen Menschen und People of Colour? Und gleichzeitig ist es gerade für Betroffene von Rassismus keine Überraschung, dass es zu Angriffen und sogar der Ermordung von Menschen wie in Hanau kommt. Und knapp zwei Monate später kommt es wiederholt zu einem rassistischen Mord in Deutschland. Am 7. April wird der 15-jährige Arkan Hussein Khalaf in Celle ermordet. In einem Info-Flyer über den Mord heißt es: “Vor dem „Islamischen Staat“ geflohen – In Celle ermordet“.

Politische Reaktionen nach Hanau

„Die Antwort ist Ja“, so erwidert Friedrich Merz, der Kandidat für den CDU-Parteivorsitz, die Frage, ob seine Antwort auf Hanau und den erhöhten Rechtsradikalismus in Deutschland, bessere Grenzkontrollen und eine stärkere Thematisierung von „Clankriminalität“ sei. Hans-Georg Maaßen, der ehemalige Verfassungsschutzpräsident von 2012 bis Ende 2018, wählte angeblich eine unpassende Zeit – kurz nach der Tat in Hanau, um seine Hufeisentheorie zu propagieren, bei der Linke und Rechte die Gleichen seien. Und verharmloste zum wiederholten Mal rechte Gewalt. Diese Auswahl der politischen Reaktionen auf die Morde in Hanau, wären „lediglich“ zum Kopfschütteln, wenn es sich dabei nicht um führende und einflussreiche Köpfe der Regierung handeln würde.

Direkte Aktionen

Am Morgen des 8. März wurden mehrere SPD Büros in Berlin mit „Farbe verschönert“. Ein Bekenner*innenschreiben nimmt Bezug auf die Ablehnung der SPD, CDU, FDP und AfD zu der Aufnahme von fliehenden Menschen in Griechenland und verweist auf die zusätzliche Gewalt, der geflüchtete FLINT* ausgesetzt sind.

Kaputte Scheiben, Farbe am und im Haus und „Hanau: Curio du Mörder!“ stand an der Fassade des AfD-Politikers Gottfried Curio in Berlin-Lichterfelde am 10. März. Der innenpolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion fällt immer wieder durch rassistische Hetzreden auf. Auch nach den Morden in Hanau verhöhnte dieser die Opfer.

In der Nacht auf den 10. März wurden mehrere Scheiben des Grillhaus Maestral in Berlin-Reinickendorf entglast. Das Restaurant ist ein Treffpunkt der AfD und Ort des Stammtisches des Bezirksverbands, sowie ihrer Jugendorganisation Junge Alternative, die Überschneidungen mit der faschistischen Identitären Bewegung und nationalistischen Burschenschaften haben.

In der gleichen Nacht brannte das Auto von Nicolaus Fest (amtierender Vorsitzende des Notvorstands des Landesverbandes) und das von Gottfried Curio (innenpolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion).

Am Lokal „Heidelbeere“ am Heidelberger Platz war am 12. März die Aufschrift „Nazi Lokal“ zu lesen und das Lokal war mit Farbe eingedeckt. Zuvor hatten dort die rechten „Dienstgespräche“, welche von dem NPD-Politiker Hans-Ulrich Pieper organisiert wurden, stattgefunden.

Vom 12. auf den 13. März wurde in Berlin die Landesgeschäftsstelle der AfD im Tiergarten und der Landes- und Bundessitz der NPD in Köpenick mit Farbe markiert.

Am Abend des 20. März krachten mehrere Steine durch die Scheiben der Wohnung des Neuköllner AfD-Beisitzers Julian Potthast. Neben der Haustür stand ein Schriftzug gegen die AfD. Julian ist daran beteiligt, dass es ein Bündnis aus Neonazis, AfD, Fußballhools und Bullen in Neukölln gibt.

Am 25. März wurde das „Steakhaus Torero“ in Rudow mit Hämmern angegriffen und der Schriftzug „Kein Raum der AfD“ hinterlassen. Dort finden zweiwöchentlich die Stammtische und Vorstandssitzungen der AfD statt. Die AfD ist in Neukölln eng mit dem NW Berlin vernetzt und mehrere AfD-Funktionäre waren an Gewalttaten beteiligt.

Am 1. April brannte das Auto von Marianne Kleinert, einer Soldatin mit Sitz für die AfD in der BVV Lichtenberg.

Am Morgen des 6. April brannte der Jaguar von Frank Hansel, Geschäftsführer im Berliner Abgeordnetenhaus und Afd Landesvorstand.

In der Nacht vom 11. auf den 12. April wurde das Auto eines Mitglieds der Berliner AfD, Andreas Geithe in Brand gesetzt: „Wir hoffen, dass wir […] sein Leben als Faschist etwas schwerer gemacht haben. Vor allem aber wollen wir damit ein antifaschistisches Zeichen setzen und den Opfern des rassistischen Anschlags in Hanau gedenken.“