Bürgermeister fordert die Abschaffung der Polizei

Über Müllkippen in Stuttgart und plötzliche Einsichten von US-Politiker*innen

Ich traue meinen Augen kaum: neulich konnte ich lesen, dass Initiativen in den USA und sogar ein Bürgermeister die Abschaffung der Polizei fordern! In Deutschland gibt es hitzige Debatten über den Polizeiapparat, nachdem ein humoristischer Artikel in der reformistischen Tageszeitung Taz erschien, der zum Schluss kommt, Polizist*innen gehören auf die Müllkippe. Ein konservativer Sturm der Entrüstung brach aus, während in Stuttgart ein Haufen Jugendlicher ihrer Ablehnung gegen Bullenkontrollen und staatliche Autorität Ausdruck verliehen, indem sie diese angriffen und Geschäfte plünderten.


Nach dem Mord an George Floyd, der in Minneapolis/USA von Polizisten getötet wurde, gab es in den USA umfangreiche konfrontative Revolten gegen Rassismus und die Bullen. Und nun unter anderem aber auch Forderungen nach der Reformierung des veralteten amerikanischen Polizeiapparates, ja sogar nach dessen Abschaffung. Also ein Schritt in die Selbstverwaltung der Individuen, der Aufhebung der Herrschaft des Menschen über den Menschen?
Wohl kaum. Wer sich weiter mit den Aussagen mancher Initiativen und vor allem Politiker*innen beschäftigt, merkt schnell, dass es darum geht, den Polizeistaat umzustrukturieren, freundlicher und psychologisch ausgefeilter zu gestalten. Dass es darum geht, DIESE Polizei und nicht DIE Polizei abzuschaffen. In einer Stadt in den USA wurde schon vor einiger Zeit die Stadtpolizei tatsächlich aufgelöst, die Zuständigkeit hatte dann aber einfach zu einer anderen Polizeidirektion gewechselt. Andere Vorschläge beziehen sich auf subtilere Kontrollmechanismen, wie bspw. mehr abgestufte Einheiten. Also in etwa vergleichbar zu mehr „bürgernahen“ Kiezstreifen, Parkläufer*innen, sowie Ordnungsämtern statt Polizei. Bei diesen psychologischen Befriedungsstrategien ist Deutschland Vorreiter und exportiert diese in die ganze Welt. Und am Ende der freundlichen Kontrollen gibt es dann doch immer noch Knüppel, Knarre und Knast. Und solange Rassismus in der Gesellschaft existiert, werden People of Colour auch besonders stark von Repression betroffen sein.

Kein*e Politiker*in hat die Absicht, den Menschen ihre eigene Verantwortung zu lassen. Ein*e Bürgermeister*in benötigt das Gewaltmonopol des Staates, um Eigentum und Macht zu sichern. In den bestehenden Systemen ist es lediglich eine Frage der Art der Gewalt, nicht ob sie obsolet sein könnte. Die allgemeine Neuausrichtung der Herrschaft geht wesentlich klüger vor als früher, sie nutzt Kontrolle, Feedback, die Illusion der eigenen Teilhabe und übt vorerst psychische Gewalt und Drohungen aus. Ein Mix aus Selbstzurichtung, dem Gefühl allgegenwärtiger Überwachung und der Angst vor einer tatsächlichen Strafe. Diese Herrschaftstechniken versuchen das Brutale, das Offensichtliche zu verschleiern, sie gaukeln einem ein freundliches Grinsen der Autorität vor, das dir bei Nichtbefolgung aber mit dem Knüppel eine überzieht.

Solange die Prinzipien der Strafe und Herrschens in unserem Denken und Handeln Platz haben, und solange wir tolerieren, dass andere diese ausüben, gibt es den Bullen im Kopf, digital und auf der Straße. Das ist traurige Realität, Teil der herrschenden Logik und nur zu beenden durch eigene Verantwortung statt Akzeptanz des Gewaltmonopols des Staates, sowie durch absolute Selbstorganisation. Es braucht also ein gänzlich anderes Leben, basierend auf einer solidarischen Community, statt intelligentere Herrschaftsmethoden.