Kämpfen lernen in einer Welt in Flammen (Andreas Malm – Matthes & Seitz)
In seinem Buch liefert Andreas Malm eine längst überfällige Kritik an Konzepten der Gewaltlosigkeit und dem ideologischen Pazifismus mit Blick auf die aktuellen Klimaproteste. Er macht sich die Mühe die Argumente der Apologeten des Pazifismus und ihre historischen Referenzen auf den Prüfstand zu stellen und kommt unweigerlich zu dem Ergebnis, dass Gruppen wie Extinction Rebellion sich Ereignisse der Geschichte so zurecht legen, dass sie als Beispiele in ihrem Sinne taugen. So werden den Sklavenrevolten, den Suffragetten, den Poll Tax Protesten oder auch der Bürgerrechtsbewegung der Schwarzen in Amerika eine Friedfertigkeit angedichtet, die so nie existierte. Und auch Ghandi, die Gottheit des Pazifismus schlechthin, verliert schnell seine Anziehungskraft als Prediger des Friedens, wenn man berücksichtigt, dass er auf seinem Werdegang immer wieder seine Dienste der Britischen Krone anbot und so unzählige Landsleute ins offene Messer rennen ließ. Hier finden sich durchaus interessante Episoden, die nicht sehr geläufig sind.
Weiter geht Malm davon aus, dass das Ausmaß an Zerstörung des Planeten bereits so weit fortgeschritten ist, dass friedliche Proteste alleine, der Dringlichkeit die bestehenden Verhältnisse stoppen zu müssen, nicht gerecht werden. Deshalb spricht er sich für direkte Aktionen und gezielte Sabotage aus, um ein „weiter so“ zu verhindern. Soweit so gut.
Wenn es dann darum geht wie er sich das in der Praxis vorstellt, muss man aber feststellen, dass sein Vorschlag keineswegs die Staatlichkeit gleichermaßen in Frage stellt wie das Kapital und seine zerstörerische Kraft. So verfällt er letzten Endes, zumindest stellenweise, dem Irrglauben, dass es notwendig sei sich mittels einer Eskalation an die runden Tische der Mächtigen zu kämpfen. Nicht etwa als Bewegung innerhalb dessen verschiedene Formen der Auseinandersetzung wachsen, sich ergänzen und ineinander übergreifen, sondern arbeitsteilig, mit spezialisierten Gruppen als „radikale Flanken“ der Bewegung, die außerhalb derer agieren und von dieser gar geächtet werden können. Dieser Rückgriff auf leninistische Konzepte von bewaffneten Kader-Gruppen, die sich außerhalb der sozialen Spannungen bewegen und in den 70er Jahren bereits kläglich gescheitert sind, ist zweifelsohne etwas enttäuschend nach der anfänglich ganz brauchbaren Analyse aktueller Entwicklungen. Konsequenterweise bleibt dabei dann auch kaum Platz für die individuelle Revolte, die jenseits von Kalkül und Taktiererei ihren Ausdruck findet.
So verkommt die ganze Schönheit der direkten Aktion zum politischen Manöver, wo Militante um sich selbst kreisen und der Rest Gefahr läuft von den Herrschenden befriedet und geschluckt zu werden. Vielleicht lassen sich so mit der Politik und unter dem Druck der Straße die Co2 Emissionen etwas reduzieren, aber eine soziale Revolution wird mit ihnen nicht zu machen sein. Aber genau das wäre die Voraussetzung um das Problem der Klimakatastrophe, das eigentlich treffend benannt wird, an den Wurzeln anzupacken.
So bleibt am Schluss ein Buch das sicher zu lesen lohnt, weil einige wichtige Fragen aufgegriffen werden, mit welchen sich die Klima-Bewegung beschäftigen sollte. Seine praktischen Vorschläge verbleiben aber auf der Ebene von Staatlichkeit und Politik. An dieser Stelle gäbe es auf jeden Fall nützlichere Vorschläge, die sich auch aus Erfahrungen und Fehler vergangener Kämpfen ableiten ließen, schade das dies außer Acht gelassen wird.