Die Krise aller Krisen

Energieknappheit und das Ende unserer Zivilisation

Die Energiefrage ist die wesentliche Frage, um unsere technologisch-industrialisierte Welt am Laufen zu halten. Die Menschheit braucht mehr denn je in jeglicher Form Energie, sei es Nahrung oder Strom. Der Fortbestand der menschlichen Spezies, bzw. des anthropozänen Zeitalters wird durch die Aufrechterhaltung und den Ausbau der Energierquellen entschieden. Daher ist es einleuchtend, wenn nahezu alle Regierungen auf der Welt um die eigene Energieversorgung kämpfen, mit Diplomatie oder Waffen. Der schier unendliche Bedarf nach Energie könnte aber auch das Ende unseres Zeitalters einläuten, besonders, wenn der technologische Fortschritt die steigende Nachfrage an Energie nicht befriedigen kann. Kriegerische Konflikte um Ressourcen und Macht verschärfen die weltweite Energie-Instabilität. Die klimatischen Veränderungen sind in dem Kontext symptomatisch für die strukturelle Lebensfeindlichkeit der techno-industriellen Welt. Unsere Zivilisation wird sich früher oder später drastisch verändern…Die Frage ist, wer diese Veränderung überleben wird und ob die Menschen aus ihren Fehlern lernt oder das Unnötige einfach blindlings wieder aufbauen wird. Der ewige Kreislauf einer Schlange die sich in den Schwanz beißt, muss das so sein?

Die Zuspitzung der klimatischen Veränderungen sind tangierbar und die Energieknappheit wird uns im kommenden Winter, und wahrscheinlich auch in den folgenden, vor große Herausforderungen stellen. Die Herrschenden dieser Welt mögen etliche Antworten auf ihre „Krisen“ haben. Eine Teil-Lösung soll, wie so oft, die Energie-Ersparnis des Endverbrauchers sein. Das Abwälzen von sozialen Problemen auf die Unterschicht ist ein altbewährtes Rezept der Politik, um sich der eigenen Verantwortung zu entziehen, aber auch wenn sie verantwortlich handeln würden, wäre das kein Grund ihr zu vertrauen. Der Notzustand, der nun durch die Real-Politik suggeriert wird, lässt keine Zeit zum Kritisieren oder anders Handeln. Zum Diskutieren ist nicht die richtige Zeit, heißt es. Die große Hoffnung und der gemeinsame Nenner der Herrschenden ist und bleibt die Perfektionierung von vorhandenen technischen Verfahren zur Energiegewinnung, der Ausbau von experimentellen Technologien, bis hin zu „bahnbrechenden“ neuen „grünen“ Erfindungen. Kurz gesagt, die Macht klammert sich wie eh und je an den „technologischen Fortschritt“. Dies ist nicht verwunderlich, denn dieser hat erst den Kapitalismus zu seiner Blütezeit verholfen. Doch der Blütezeit folgt in der Regel auch die Zeit des Verfalls… Das forcierte techno-industrielle Herauszögern ist allmählich am Endpunkt…und ja! Es sind wie immer, wie eh und je, die Ausgebeuteten, die Ausgeschlossenen, die die Quittung als erstes zu spüren bekommen. Doch betrifft ein weltweiter Kollaps der kapitalistischen Zivilisation die Gesamtheit der Menschen.

Ein anschauliches Beispiel, wie die Herrschenden ihre Macht behalten wollen und zugleich das Leben, die Gesundheit und das Ökosystem wissentlich aufs Spiel setzen, ist die Atomwissenschaft. Es ist das Atom, das am meisten den Ethos unserer Zivilisation widerspiegelt. Auf der einen Seite verspricht es unglaublich viel Energie, auf der anderen kann es unwiderruflich alles Leben auslöschen und für Jahrtausende beeinflussen. Die Atombombe wurde als „das geringere Übel“ erfunden und vorangetrieben, um die absolute Inkarnation des Bösen zu besiegen: Hitler-Deutschland. Eine ungeheure Waffe, die den Frieden bringen sollte. Doch gibt es keinen Frieden, denn in einem autoritären Weltbild ist der Frieden nur die Zeit vor dem nächsten Krieg, auf den man sich gefälligst vorbereiten muss. Der angebliche Frieden, das angebliche globale Gleichgewicht, beruht spätestens seit dem „Kalten Krieg“ auf der Stückzahl von atomaren Sprengkörpern in den jeweiligen Waffenarsenalen der Staaten. Gerade hören wir die Mächtigen mit ihren Säbeln rasseln. Gleichzeitig erleben wir auch, dass Atomenergie plötzlich „grün“ sein soll, also auch irgendwie nachhaltig? Rechtfertigt eine eventuelle „Klimaneutralität“ etwa einen atomaren Super-Gau? Scheinbar sind wir wieder beim „geringeren Übel“ angekommen. Es ist der dadurch produzierte Notstand, der alle möglichen Maßnahmen rechtfertigt…sogar „grüne“ Atomenergie. Während in der BRD der Atomausstieg angekündigt ist, gibt es etliche andere Nachbarstaaten, die fleißig an der Verfeinerung der Atomenergie arbeiten und überhaupt erst gar nicht darüber nachdenken, anders zu handeln. Da braucht man sich nur die französische Regierung angucken: bis 2100 sollen etliche neue, größere, bessere, sicherere Atom-Meiler entstehen. Offiziell entsteht dort auch kein Atommüll, da der Brennstoff unendliche Male aufbereitet werden soll. Das dadurch entstandene MOX-Brennelement ist aber bisher noch unrentabel und unsicher (zu dem ist es 10.000mal radioaktiver als Plutonium), aber die politische Strategie wettet auf den „technologischen Fortschritt“. Die energetische Zukunft Frankreichs ist atomar. Die politische Strategie der deutschen Regierung ist in ihrem Ausdruck vielleicht anders, aber vom Prinzip her dieselbe: die Macht der Regierung braucht Technologie und Forschung. Egal ob es „klimaneutral“, nachhaltig, oder „grün“ ist. Auf alle Fälle profitieren in erster Linie die Industrie, die Wirtschaft und ihre Bosse von der garantierten Energiezufuhr. Zu allerletzt bekommen die Einzelverbraucher*innen ihr Quäntchen Energie und sollen sich mit diesem Zugeständnis zufrieden geben.

Die Abhängigkeiten sind in unserer Gesellschaft klar vordefiniert bzw. zentralisiert. Der Kapitalismus versorgt und reguliert die Menschheit. Unterschiedliche Formen von Liberalismus können den Eindruck einer funktionierenden Demokratie erwecken, aber sie ändern nichts an dem autoritären Grundgerüst der Gesellschaft. Es sind Wenige, die zugunsten ihrer Interessen, für Alle entscheiden. Gesellschaftliche Akteure, die im politischen Sinne agieren, ändern nichts, im Gegenteil, sie helfen der Macht sich selbst zu verbessern. Reformen von unten und jegliche andere Forderungen an die Macht sind potenziell verwertbar im Sinne und zu Gunsten der Autorität. Jeder Dialog und Kompromiss mit den Machthaber*innen entfernt uns immer mehr von der Möglichkeit, eigene Ideen zu entwickeln und dementsprechend zu handeln. Die spannendste Perspektive in dieser Hinsicht, ist den Glauben an die Autoritäten zu verlieren und sie auch bewusst zu bekämpfen.

In Bezug auf die Energie stellt sich wie immer die Frage, wem sie eigentlich dient und inwiefern sie von den Menschen gewollt, gebraucht und reproduzierbar ist. Es macht keinen Sinn, die kapitalistische Industrie, Wirtschaft und ihre Kultur am Leben zu erhalten, wenn sie als Ursprung für die Ausbeutung und Zerstörung jeglichen Lebens gesehen wird. Die Antwort auf eine Krise kann nicht der von Oben angeordnete Verzicht, Sparsamkeit und Selbstgeißelung sein. Es kann auch nicht ausreichend sein, eine rein strategische und temporäre Deindustrialisierung zu vollziehen, in der Hoffnung auf bessere ökonomische Zeiten. Das Wort Deindustrialisierung aus dem Mund der selbigen Industrie zu hören, scheint auf den ersten Blick erschreckend, ist aber aus wirtschaftlicher Sicht notwendig, um nicht komplett unterzugehen. Das Resultat wären in erster Linie Profitverluste und Arbeitslosigkeit, die aber für die Besitzenden immer noch verkraftbarer sind als eine Insolvenz. Es gab in der Geschichte Ansätze von Ausgebeuteten, die versuchten, die Industrialisierung aufzuhalten und dies ging einher mit der bewussten Sabotage und Zerstörung der Produktionsmittel. Deren Interessen waren also vollkommen gegensätzlich zu den Interessen der Macht. Womöglich auch ein brandaktueller Handlungsvorschlag? Wir brauchen aber auch Analysen, um die Welt in ihrer Gesamtheit zu verstehen, keine sterilen wissenschaftlichen oder akademischen Analysen, die die Sprache der Macht sprechen, sondern staatsfeindliche, die unsere eigene Sprache sprechen. Eine Sprache der Revolte, die im Ansatz gesellschaftliche Dynamiken verstehen und beschreiben kann und dagegen selbstbewusst wettern kann. Ohne auf das Gefasel der Macht zu vertrauen. Der Sog der digitalen Informationsflüsse verschafft meistens mehr Verwirrung als Klarheit. Die Informationen, so wichtig sie sind, verlieren langsam an Bedeutung, es sind einfach zu viele. Eine Meinung ähnelt der anderen, irgendwie sind wir alle Expert*innen von irgendwas, aber eigentlich wissen wir nur relativ wenig. Ein perfekter Humus für die massenhafte Verdummung. Letztendlich ist es einfach zu anstrengend, sich für jedes Thema zu interessieren und zu belesen, aber irgendwer wird es schon besser wissen, so ist man verleitet zu denken. In dem Moment entsteht Vertreter*innentum, das auf Wissenshierarchien beruht und durch den passiven Konsens des stillen Abnickens gefestigt wird. Aber wahrlich kann es nicht der Anspruch sein, sich jegliches Wissen anzueignen, um dann die Legitimation zu erlangen, seine Gedanken erst äußern zu dürfen. Das ist ein typisches Verhalten von der Wissenschaft, um „unseriöse“ Thesen zu widerlegen und die vorherrschenden Thesen zu verteidigen. Ab diesem Moment wird das Wissen zum Instrument der Macht. Daher kann ein zivilisationskritischer Ansatz erfahrungsbasierende Grundzüge und die Subjektivität beinhalten, ja sogar hervorheben. Die Gesellschaft ist ein sehr abstraktes Konzept, kaum fassbar und es ist keine objektive Wahrheit. Das eigene Bewusstsein hingegen ist ansprechbar, man hat ein Gefühl dazu oder kann es mit der Zeit entwickeln. Wenn durch Kommunikation Gemeinsamkeiten mit anderen Menschen entstehen, sind das gute Grundlagen um Kämpfe nach außen hin zu starten. Im Laufe dieses Prozesses der sozialen Verwebung mit subversiven Ideen könnte das bedeuten, dass Konflikte initiiert und genutzt werden, um sie zur unumgänglichen Eskalation mit dem Staat und Kapital zu bringen.

Ja, letztlich sollten wir vielleicht etwas wissen…bisher gibt es weltweit noch kein langfristiges Endlager für hoch radioaktive Abfälle, wie z.B. MOX-Brennelemente. Die verweilen zur Zeit in Zwischenlagern, zu zig Tonnen überall auf der Welt und mehr wird es geben und niemand weiß so richtig, was damit anzufangen ist.

Es ist das tödliche Erbe unserer Zivilisation und vielleicht auch das einzige.